Engel des Todes
gezeigt haben?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Er kam an jenem Morgen an und wusste schon über alles Bescheid. Er hatte einen Ausweis der National Security Agency. Aber als ich gestern versuchte, dort Auskünfte über ihn zu bekommen, sagte man mir, eine solche Person gebe es nicht. Ich ließ nicht locker und beschwerte mich laut bei ein paar Leuten und …«
»Nun wird es auch für Sie mulmig«, fiel ihm Nina ins Wort.
»Nur indirekt.« Er atmete tief aus. »Der Fall Gary Johnson wird wieder aufgerollt.«
»Wie bitte?«
»Ein Anwalt aus Louisiana behauptet, er habe Hinweise, wonach die forensischen Gutachten frisiert worden seien. Genauer gesagt, Sie hätten sie manipuliert, und ich hätte weggeschaut. Irgendjemand will Sie diskreditieren, und ich als Ihr Vorgesetzter in diesem Fall soll gleich mit hopsgenommen werden. Zufrieden?«
»Sie haben sich selbst in diese Lage gebracht, Charles. Hängen Sie das jetzt nicht mir an.«
»Und Sie sollten nicht so tun, als würden Sie moralisch höher stehen. Sie haben Ihre Kenntnis eines Mordes nicht angezeigt, über die Ereignisse des vergangenen Jahres gelogen, und glauben Sie wirklich, ich wüsste nicht, dass Sie ein Beweismittel – Jessicas Festplatte – für achtundvierzig Stunden aus der Asservatenkammer genommen haben? Schon einer dieser Tatbestände würde reichen, Sie beruflich zu ruinieren, und Sie haben in beiden Fällen vorsätzlich gehandelt.«
»Nun ist ein weiteres Mordopfer mit einer Festplatte gefunden worden«, sagte ich. »Haben Sie auch hier einen Hinweis erhalten?«
»Nein. Und im Übrigen, was haben Sie eigentlich mit der ganzen Sache zu tun?«
»Wards Eltern sind von den Straw Men ermordet worden«, sagte Nina. »Er hat uns geholfen, Sarah Beckers Leben zu retten, und er ist der einzige Mensch auf der Welt, dem ich vertraue. Das muss Ihnen genügen. Und nun erzählen Sie mir von dem neuen Mordfall.«
»Nina …«
»Sie sind durch Jessica in die Sache hineingeraten. Sollte der neue Mord von demselben Täter begangen worden sein, dann haben wir eine kleine Chance, beide Fälle aufzuklären. Nur mit einem solchen Ermittlungserfolg dürfen Sie sich Hoffnung machen, Ihr Leben wieder ins rechte Gleis zu bringen.«
»Und Ihres ebenfalls.«
»Meines ist schon kaputt. Das macht mich ja so wütend. Ich will die Leute finden, die das getan haben. Ward und ich haben mit denen eine Rechnung offen.«
»Die Frau hieß Katelyn Wallace«, begann Monroe. »Sie leitete die Nachtschicht im Hotel Fairview in Seattle. Jemand hat sie unbemerkt aus dem voll belegten Hotel, in dem noch ein Nachtportier Dienst tat, herausgeholt. Ihre Leiche wurde vierzig Meilen weiter östlich in einem Gebüsch in der Kleinstadt Snoqualmie gefunden. Wir haben das unvollständige Kennzeichen eines Autos, das spätnachts dort durchgefahren ist, aber es handelt sich um einen Mietwagen, und außerdem ist das ein Fremdenverkehrsort. Die Leiche war schlimmer zugerichtet als die Jessicas. Die herrschende Meinung unter den Experten für Serienmörder lautet, dass der Mörder nachlässiger wird. So hatte er sich nicht die Mühe gemacht, sie halbwegs anzuziehen, und diesmal steckte die Festplatte nicht im Mund, sondern in einem Loch, das er ihr in den Kopf geschlagen hatte. Allerdings war es dieselbe Musik wie bei Jessica.«
»Irgendein Begleitschreiben?«
»Nein. Ein Video mit drei Landschaftstotalen in schlechter Bildqualität. Von einer Webcam in Pittsburgh aufgenommen, ob Sie es glauben oder nicht. Das dortige FBI -Büro ist alarmiert, aber was das Ganze bedeuten soll und ob es überhaupt eine Bedeutung hat, das weiß niemand.«
»Was wissen Sie über das Opfer?«, fragte ich.
»Die Frau stammte aus San Francisco. Alter zweiundvierzig, kam vor zwölf Jahren nach Seattle. Hat keinen festen Partner, aber viele Freunde und Bekannte und eine Katze. Keiner von ihnen wüsste jemanden, der fähig wäre, ihr so etwas anzutun. So, wie es bisher aussieht, ist sie ein Zufallsopfer.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach ich. »Warum sollte der Mörder durch das halbe Land reisen, sich wahllos ein Opfer greifen und dann mit demselben Modus operandi seine Signatur hinterlassen? Da muss es eine Verbindung geben. Hat Ihnen Nina von der fehlenden Fotografie in Jessicas Wohnung berichtet?«
»Ja. Wir haben die drei Männer aus den Videos identifizieren können. Zwei waren Stammgäste in der Bar namens Jimmy’s, der dritte war eine Partybekanntschaft aus Venice Beach. Keiner scheint in
Weitere Kostenlose Bücher