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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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mich seltsam. Ein Schauer rieselte mir den Nacken hinunter. Ich wandte den Kopf nach links, und wieder war mir, als sähe ich eine Gestalt keine zwanzig Schritte entfernt durch den Wald eilen. Wieder nur im Schlafanzug, so schien es, bei dieser Kälte der reine Wahnsinn. Ich war erschöpft, überreizt und phantasierte Bilder in die Dunkelheit, die keinen Sinn ergaben.
    Ruhe bewahren, sagte ich mir, senkte den Kopf und atmete mehrmals tief durch.
    Ich blickte wieder auf, als es einen Knall vor uns gab und eine Kugel knapp an unseren Köpfen vorbeipfiff, ehe sie jaulend an einem Felsen hinter uns abprallte. Phil und ich erwiderten das Feuer.
    Auch Nina feuerte unterhalb von uns.
    »Himmel«, rief ich entsetzt. »Phil, halten Sie die Stellung. Machen Sie den Kerl alle, wenn es irgend geht. Ich laufe wieder zurück.«
    »Mach ich«, versprach Phil. Er ging in die Bauchlage und robbte los. Er musste schon viele Kriegsfilme gesehen haben, und das kam ihm jetzt zustatten.
    Ich richtete mich auf und eilte Hals über Kopf hinunter zu der Stelle, wo Nina sein sollte. Zwar fand ich keine Spur von ihr, aber ich hörte auf der Linken Schüsse im Wald. Ich kam an der Leiche des ersten Schützen vorbei und schaute ihn an: kalte, harte Gesichtszüge. Ich hatte ihn vorher noch nie gesehen.
    Vor mir waren nun ebenfalls Schüsse zu hören, aber gedämpfter, da das Geheul des Windes wieder stärker geworden war. Ich lief in die Richtung, aus der die Schüsse kamen, ohne sagen zu können, ob es ein oder mehrere Schützen waren.
    Vor einem Felsvorsprung ließ ich mich fallen und hätte mir beim Landen beinahe den Fuß verknackst, kam aber doch noch glücklich auf die Beine. Ich geriet in tieferen Schnee und kämpfte mich wie durch kalten Morast vorwärts.
    Schließlich bekam ich wieder steinigen Grund unter die Füße. Das Schießen hatte aufgehört, doch zu sehen war niemand.
    »Nina?«
    Keine Antwort. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und schlug dann die Richtung ein, in der ich sie vermutete.
    Ich hatte schon ein paar Schritte zurückgelegt und bekam Tempo, als mir plötzlich die Luft ausging. Im nächsten Augenblick lag ich auf dem Boden, Felskanten bohrten sich in meinen Rücken.
    Jemand trat hinter einem Baum hervor und stampfte mir mit dem Fuß auf den Brustkorb. Ich rang nach Atem, gleichzeitig spürte ich stechende Schmerzen im Rücken. Unwillkürlich stöhnte ich auf. Der Fuß presste nur noch stärker, und dann erschien, keine Armlänge entfernt, ein Gesicht über mir.
    Kurzes Haar, runde Brille.
    Es war der Schütze aus dem Diner in Fresno. Er drückte mir die kalte Mündung einer Schrotflinte auf die Stirn und stützte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf.
    »Da bin ich wieder, Arschloch«, sagte er.
     
    Nina war fünfzig Meter entfernt. Sie hatte jemanden durch den Wald laufen hören, jemanden, den weder Felsen noch Schnee, noch schwieriges Gelände aufhalten konnten. Das musste Paul sein. Ganz gleich, wer die anderen Kerle waren, die sie nicht kannten und die doch den Auftrag zum Töten hatten, sie glaubte, dass sich nur der Upright Man so raubtierhaft bewegen konnte.
    Auf das Geräusch hin lief sie den Abhang hinunter und schoss auf alles, was sich bewegte. Nach ein paar Minuten hielt sie an, wartete, konnte aber nichts mehr hören oder sehen.
    Dann hörte sie einen Schrei hinter sich.
    »Ward«, sagte sie, dann kletterte sie erneut den Hang hinauf. Sie rutschte aus, stieß mit dem Gesicht an Felsen, rappelte sich auf und kletterte weiter.
     
    Der Mann presste mir weiterhin den Gewehrlauf auf die Stirn.
    »Du bist also der Bruder«, sagte er. »Im Diner in Fresno hattest du noch Glück. Heute Nacht sieht das anders aus. Offenbar bist du nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt wie er. Nur ein Stümper mehr.«
    Ich keuchte, weil mir in der Lage nichts anderes übrigblieb.
    »Aber dein Bruderherz wird heute Nacht ebenfalls einen kalten Arsch kriegen«, fuhr der Mann fort. »Das hat er deinem Kumpel zu verdanken.«
    »Wem?«
    »Diesem Zandt. Oder was glaubst du wohl, woher wir wussten, dass hier das Rendezvous mit dem Sensenmann stattfinden soll. Er hat einen Deal gemacht.«
    »Wie? Hat er Dravecky nicht umgelegt?«
    »Dem Boss geht’s prima. Dein Kumpel meint offenbar, er würde hier lebendig herauskommen. Da täuscht er sich gewaltig.«
    Einen Augenblick schien es, als wollte er mir den Brustkorb eindrücken. Seine Augen blitzten hinter der runden Brille. Die Freude darüber, dass ich keine Luft mehr bekam, war

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