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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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wusste nicht wohin, und …«
    Er machte einen verlegenen Eindruck. »Vielleicht hätte ich schon früher schießen sollen, aber ich habe die Gelegenheit verschenkt. Wissen Sie, ich habe noch nie versucht, einen tödlichen Schuss abzugeben. Ich erhob mich also halb und überlegte, auf welchem Weg ich auf die andere Seite käme, und da sah ich plötzlich diesen anderen Typ.«
    »Was für einen Typ?«
    »Keine Ahnung. Er kam wie aus dem Nichts. Ich habe ihn kaum eine Sekunde lang gesehen. Er legte an und drückte fast im selben Augenblick ab. Ein Schuss. Peng. Ich duckte mich, als ob ich selbst getroffen wäre. Ein paar Minuten lang hörte ich nichts. Dann hob ich wieder den Kopf. Der Typ mit dem Gewehr war verschwunden, aber keine zehn Meter von mir entfernt lag ein toter Mann.«
    »Und Sie haben ihn mit Sicherheit nicht erledigt?«
    »Nein, das sagte ich doch. Das hat ein anderer getan. Ich bin hingegangen und habe mir die Leiche angesehen. Ein Loch, genau in der Stirnmitte, wie das Schwarze einer Zielscheibe. Wer war der Schütze? Was wird hier eigentlich gespielt?«
    »Das muss John gewesen sein«, vermutete ich.
    Nina schüttelte den Kopf. »John ist ein Stadtmensch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich in freier Natur an einen Mann heranpirscht und ihn mit einem einzigen Schuss niederstreckt. Soweit ich weiß, hatte er in seinem ganzen Leben noch kein Jagdgewehr in der Hand.«
    »Wer dann?«
    »Der Upright Man«, sagte sie. »Er muss es sein. Die anderen Männer sind hierhergekommen, um ihn zu töten, nicht uns.«
    »Das glaube ich nicht. Er hätte doch zugesehen, wie sie uns erst fertigmachen.«
    »Du bist sein Bruder, Ward.«
    Ich verstand nicht, welche Rolle das spielen sollte.
    Als wir zu Connelly kamen, stand er wieder. An einen Baum gelehnt, aber aufrecht.
    »Um Gottes willen, Sheriff, setzen Sie sich wieder hin.«
    »Alles halb so schlimm.«
    »Mit Verlaub, aber da irren Sie sich«, widersprach Nina. »Sie bluten wie ein abgestochenes Schwein.«
    Der große Mann schaute an sich hinunter und sah die dunklen Flecken, die sich bis zu den Hosen hinab ausbreiteten. »Stimmt. Also sollten wir schnell handeln.«
    Er holte wieder sein GPS -Gerät aus der Manteltasche. Seine Hände zitterten zwar, aber nicht zu stark. Nach einem kurzen Aufleuchten des Displays deutete er mit dem Kopf nach vorn und dann nach rechts.
    »Gehen wir am besten gleich ran.«
    Wir gingen geradeaus und kamen an der Leiche des zweiten Schützen vorbei. Phil hatte recht, das Loch in der Stirn war Maßarbeit, da verstand einer sein tödliches Handwerk.
    Das Gelände stieg nach links und rechts an, als würden wir in einen weiten Halbtunnel aus Bäumen und Schatten eintreten: Vermutlich war es früher einmal ein breites Flussbett gewesen oder gar das Werk eines Gletschers. Der Wind blies wieder stärker, so konnten wir hoffen, dass sein Heulen das Geräusch unserer Schritte übertönen würde.
    Connelly kam ins Stolpern, verlor das Gleichgewicht und fiel. Ich beugte mich zu ihm hinab, aber er schüttelte nur langsam den Kopf.
    »Kümmern Sie sich nicht um mich«, sagte er.
    Ich zog meinen Mantel aus und legte ihn über Connellys Schultern.
    Wir gingen weiter, arbeiteten uns durch dichtes Gestrüpp. Die untersten Zweige der Bäume peitschten hin und her, als wären sie in den Händen Irrsinniger. Etwas jaulte links von uns auf, es war wohl der Wind.
    Nina streckte die Hand aus und blieb stehen. »Da.«
    Ich spähte angestrengt. Ungefähr fünfzig Meter vor uns traten die Bäume auseinander und gaben den Blick frei auf eine schwarze Leere.
    Das musste der Rand der Schlucht sein.
    Phil flüsterte: »Gehen wir da geradeaus rein?«
    »Lieber nicht«, riet Nina. »Phil, Sie kommen in weitem Bogen von rechts. Ich gehe geradeaus. Ward, du kommst von links. Wenn ihr etwas seht, schießt sofort, dann ruft laut.«
    Wir nickten. Phil schlug sich rechts durch das Buschwerk.
    Nina hob den Zeigefinger und ging dann raschen Schrittes geradeaus. Ich drehte mich um neunzig Grad und arbeitete mich so rasch es ging seitlich den Hang hinauf.
    Alles verlief gut, bis ich einen Schuss hörte.
    Was nun kam, lag im Schoß der Götter. Hoffentlich übten sie sich nicht in Gleichgültigkeit und hegten keinen Groll.
     
    Nina wurde langsamer und ruhiger. Fünf Minuten lang hatte sie sich durch schwieriges Gelände gekämpft und war höchstens dreißig Meter vorangekommen. Ein Blick nach rechts oben zeigte ihr den Schatten einer Gestalt, die sich auf dieser Seite

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