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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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einreihen.
    Was sollte sie jetzt noch sagen? Es war ganz dunkel geworden, der Schnee fiel immer dichter, und sie saß, an den Händen gefesselt, mit einem Psychopathen in der Wildnis.
    Sie beschloss, gar nichts zu sagen.
    Plötzlich richtete er sich auf.
    Er blickte zum Rand der Steilwand hinter ihr. Dann drehte er sich um. Den Kopf schräg, den Mund leicht geöffnet, lauschte er ins Dunkle. Dann überquerte er den Wasserlauf und sprang wie in einem einzigen großen Satz die Wand der Schlucht hinauf.
    »Sie kommen«, sagte er.
    In seiner Stimme war keine Freude. Patrice war sich nicht einmal sicher, von wem er überhaupt sprach. Er blieb oben einen Augenblick stehen, als würde er Witterung aufnehmen, dann verschwand er wie der Mond hinter Wolken.
    Patrice kam der Gedanke wegzulaufen, doch ihre Beine waren wie gelähmt, und wohin hätte sie fliehen sollen? Stattdessen machte sie sich ganz klein, schloss die Augen und dachte an Verona.

29
    D iesmal hörten wir es alle.
    Ein trockenes Knacken, in einiger Entfernung. Immerhin war es so laut, dass es durch den tosenden Wind und das pochende Geräusch meines Atems zu hören war. Connelly drehte sich rasch um.
    »Runter.«
    Nina legte ihre Hand auf meinen Rücken und drückte mich nach unten. Wir warfen uns beide zur Seite, versuchten loszulaufen, kamen aber nur mühsam im hohen Schnee voran. In der Nähe eines Felsvorsprungs suchte jeder Deckung hinter Bäumen, die Waffen schussbereit.
    Wir sahen, wie Connelly und sein Kollege rückwärts gehend und mit den Gewehren im Anschlag zu uns herüberkamen. Phils Stimme zitterte leicht, doch ging er mit regelmäßigem, festem Schritt. »Haben Sie ihn gesehen?«
    Connelly schüttelte verneinend den Kopf und bewegte dabei das Gewehr in einem Winkel von dreißig Grad von einer Seite zur anderen.
    Als die beiden auf unserer Seite des Felsvorsprungs waren, schaute ich hinter uns. Im Wald ist es nicht einfach, die Richtung zu bestimmen, aus der der Schall kommt. Das Gelände erhob sich im Dunkel vor uns, ein Puzzle aus Bäumen, Büschen, Felsen und Schnee. Wegen der Helldunkelkontraste wirkte es wie eine Escher-Zeichnung, deren Bedeutung für das Auge des Betrachters ständig hin und her springt, bis am Ende für ihn doch alles im Vagen bleibt. Auf jeden Fall konnte ich keine Bewegung erkennen.
    Ich schaute wieder nach vorn. Auch dort regte sich nichts, vom Schneefall einmal abgesehen. Wir reckten alle die Hälse und spitzten die Ohren.
    Die Sekunden kamen und gingen.
    Die Anspannung in meinen Beinen löste sich langsam. Meine unbehandschuhte rechte Hand war vor Kälte ganz taub. Ich wechselte das Schießeisen in die linke Hand und rieb die rechte unter der Achsel. Wegen der abrupten Bewegung meldete sich meine Schulter mit einem stechenden Schmerz. Ich stöhnte auf. Der Schmerz ließ erst nach, als ich die Waffe wieder in der rechten Hand hatte, auch wenn das blanke Metall wie festgefroren schien.
    »Das da draußen kann nicht John sein«, stellte ich fest.
    »Nein. Wir sind jetzt ganz nahe. Das muss der Upright Man sein.«
    »Was machen wir jetzt?«, flüsterte Phil.
    »Wir gehen weiter«, entschied Connelly. Er hatte ein GPS -Gerät in der offenen Hand. Ich hatte mich schon gefragt, warum er im Dunkeln nie die Richtung verlor. Mit dem Daumen schaltete er das Gerät ein, eine Anzeige leuchtete auf und verschwand wenig später wieder. »Mehr als drei-, vierhundert Meter kann es nicht entfernt sein.«
    »Er hat uns sicherlich kommen hören.«
    »Wir sind zu viert, und er ist allein«, sagte Nina. »Er wird uns also nicht angreifen, sondern warten, bis wir uns trennen oder uns zu einer Unvorsichtigkeit hinreißen lassen. Dann schnappt er sich einen nach dem anderen.«
    Connelly nickte. »Wie wollen Sie es machen?«
    »Zusammenbleiben. Und Sie meinen, es ist da vorn?«
    »Ganz in der Nähe.«
    »Dann gehen wir hier herum, klettern links hoch und nähern uns ihm von der Seite. Was ist da eigentlich vor uns?«
    »Eine Schlucht. Wir sind von oben gekommen. Das Gelände ist sanfter gegen Norden, wo wir uns befinden, und steiler auf der anderen Seite. Das Ufer ist auf der rechten Seite flacher, auf der linken, östlich, viel höher.«
    Nina schaute mich an. »Was meinst du: Meiden wir das rechte Ufer und versuchen flussaufwärts zu kommen?«
    »Hört sich vernünftig an.«
    »Dann machen wir es so.«
     
    Wir bewegten uns jetzt behutsamer und atmeten leiser. Ich gab auf jedes Holzstück acht, das aus dem Schnee ragte, damit ich nicht

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