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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Heimgehen noch etwas zu trinken. In den ersten Jahren in Verona hatten sie das immer so gemacht. Sie setzten sich auf die Terrasse einer Bar mit Blick auf die Bucht, schauten den Einheimischen zu, und Bill rauchte eine Zigarette. Später waren sie schon nach dem Abendessen müde genug, um ohne Umweg nach Hause zu gehen.
    Patrice lächelte und sagte ja. Sie mochte ihn so, wie er war. Er redete nicht immer laut über das, was anstand (und das hatte sie in all den Jahren immer wieder rasend gemacht), aber er verstand immer. Sie saß auf der Terrasse, während er die Getränke holte. Sie sah Licht in einigen Blockhütten auf der anderen Seite des Meeresarms. Für sie waren es Sterne, etwas, woran man sich im Leben orientieren konnte. Beim nächsten Mal würden diese Lichter erloschen sein. Da wusste sie plötzlich, dass dies ihr letzter Urlaub in Verona war. Sie wandte sich um, als sie Bill mit einem Glas in jeder Hand kommen hörte, und sah ihn mit tränennassen Augen an.
    »Ich weiß«, sagte er und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch.
    Er legte seine Hand auf ihre und schaute eine Weile zu den Lichtern hinüber. Dann nahm er sein Glas in die andere Hand und erhob es, um mit ihr anzustoßen. Sie zuckte die Achseln, sie war nicht in Stimmung. Eigentlich gab es nichts, worauf sie hätten trinken können.
    Er ließ aber nicht locker und hielt weiterhin sein Glas bereit. Obendrein hatte er eine Zigarette zwischen den Fingern, und das, obwohl er damals kaum noch rauchte. Patrice ahnte, dass sein träumerischer Blick in die Ferne etwas anderes bedeuten konnte, als sie gedacht hatte. Sie zog fragend eine Augenbraue hoch und nahm schließlich ihr Glas.
    »Ich habe da eine Idee«, sagte er.
     
    Während Patrice immer noch in ihrer Küche stand und nach draußen in die Bäume schaute, erinnerte sie sich an jenen Abend mit einer Deutlichkeit, wie sie es sonst in ihrem Leben nicht mehr kannte. Es war der letzte Schritt nach vorn gewesen und nicht mehr bloß das Auf-der-Stelle-Treten oder, schlimmer noch, ein Abgleiten nach unten.
    »Wir haben doch davon gesprochen, ein Stück Land zu kaufen«, begann Bill. »Irgendwo, wo Grund und Boden billig ist, einen Platz mit Bäumen.«
    Das stimmte, davon hatten sie gesprochen. Oder Bill zumindest. Sie hatte zugehört und genickt, ohne recht daran zu glauben. Sie brauchten kein Stück Land irgendwo. Sie hatten Verona.
    Bislang.
    »Ja«, sagte sie.
    »Vielleicht sollten wir es jetzt tun.«
    »Wir haben aber nicht genügend …«
    »Geld? Doch. Für den Landkauf reicht es.«
    »Aber nicht für den Hausbau.«
    »Richtig.« Er holte Atem. »Wie wär’s, wenn ich morgen früh Ralph vorschlage, ihm eine von den Blockhütten abzukaufen?«
    Sie schaute ihn fest an und wartete, bis er es aussprach.
    »Hütte Nummer zwei«, sagte er, und da wurde ihr Blick wieder feucht. »Wir machen ein Nebengeschäft mit Ralph. Der Immobilienmensch kann die Hütten nicht gebrauchen, sie stehen ihm nur im Weg. Er spart sich den Abriss, und wir lassen sie bringen, wohin wir wollen.«
    »Und du meinst, du schaffst das?«
    Sie redeten noch eine ganze Stunde über den Plan, bis beide glänzende Augen hatten und nur noch brabbelten. Am nächsten Morgen ging Bill zu Ralph und machte sein Angebot.
    Ralph führte ein Telefongespräch nach San Francisco, und eine halbe Stunde später war der Handel geschlossen. Doch damit wich der träumerische Blick noch nicht aus Bills Augen. Am Nachmittag überraschte er Patrice damit, dass sie stolze Besitzer nicht einer, sondern gleich dreier Hütten waren: eine für sie beide, eine als Büro oder Arbeitszimmer und eine für Gäste. Vielleicht für die Kinder. Patrice war das eigentlich gleichgültig. Hauptsache, die Hütte Nummer zwei war gerettet. Am liebsten hätte sie es gehabt, wenn die Hütte in Verona geblieben wäre, wenn die Lodgettes nicht geräumt würden und alles unverändert fortbestünde, aber da das nun einmal nicht möglich war, wollten sie nicht die Hände in den Schoß legen und alles über sich ergehen lassen. Sie hätte gern ein Schild an die Hütte genagelt, auf dem stand, dass sie der Besitzer war. Sie hätte die Hütte gern auf den Dachträger des Autos gehievt und mitgenommen, sie hätte sogar ein MG -Nest eingerichtet, um sie zu verteidigen.
    Nun besaßen sie also drei Blockhütten, für die sie eine neue Heimat finden mussten. Die bisher vage gehegte Idee, ein Stück Land zu kaufen, wurde nun zu ihrer dringlichsten Aufgabe. Mehrere Wochenenden

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