Engel im Schacht

Sachen durchgeschaut, aber nichts gefunden, was ich nicht schon gewußt hätte.«
    Murray war wieder mal als Schrecken aller Politiker unterwegs, vielleicht genehmigte er sich aber auch ein Bierchen. Ich setzte mich an seinen Schreibtisch und begann zu lesen. Der Computer hatte bei der Abfrage nicht zwischen Alec Gantner, dem Senator, und seinem Sohn differenziert; die meisten Artikel befaßten sich jedoch mit dem Vater. Senator Gantner hatte im November vor dem American Jewish Congress gesprochen und die Anwesenden seiner Hochachtung vor Israels Integrität versichert. Im Senat hatte er eine einstündige Rede gehalten über die Bedeutung von Stützungskäufen für den Getreidepreis und zusammen mit Jesse Helms Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung befürwortet. »KORNY UND RAUCHY« hatte eine Karikatur über die beiden Männer gespottet.
    Gantner war zu einem Treffen nach Carbondale gefahren, zu einem weiteren nach Peoria, um Caterpillar bei den Verhandlungen für ein internationales Geschäft zu unterstützen, und hatte in Chicago den Präsidenten begrüßt. Er war Vorsitzender des Komitees für die Wiederwahl des Präsidenten in Illinois.
    Ich überflog die Artikel schneller. Gantner hatte vor einem Untersuchungsausschuß des Senats zum Thema Geheimdiensttätigkeiten geschworen, daß Gant-Ag die Handelssanktionen gegen den Irak im Herbst 1990 nicht verletzt hatte. Damals hatte Craig, der Bruder des Senators, Gant-Ag bereits für diesen geleitet, damit Bic Alec sich auf seine Tätigkeit als Senator konzentrieren konnte. Selbstverständlich gab es keinen Interessenkonflikt. Auch Alec Juniors Aktivitäten waren von der Presse gewürdigt worden, wenn auch nicht in dem Maße wie die seines Vaters. Der Sohn hatte ebenfalls vor dem Senat ausgesagt, daß die Leiter von Gant-Ag eine reine Weste hatten - darüber hatte das Wall Street Journal berichtet. Die Sun-Times hatte seiner Verbindung mit Home Free ein paar Zeilen gewidmet - nicht einen richtigen Artikel, sondern nur einen kurzen Eintrag in der Rubrik »Personalien«. Darin hieß es, Gantner und Blakely hätten sich bereit erklärt, im Beirat von Home Free mitzuwirken, kurz nachdem Jasper Heccomb die Geschäftsleitung übernommen hatte.
    Mein Kopf fühlte sich an wie ein Luftballon, den jemand mit Helium vollgepumpt hatte. Er schwebte irgendwo über meinem Körper, so daß es mir schwerfiel, mich auf das, was ich las, zu konzentrieren. Ich überflog trotzdem weiter das Material in der Hoffnung, noch einmal auf die Namen von Heccomb oder Blakely zu stoßen. Irgendein Teil fehlte in dem Puzzle, bloß welches? Ich schloß die Augen, aber das verstärkte das Gefühl des Schwebens nur noch.
    Welche Verbindung bestand zwischen Gantner und Blakely? Vermutlich hatte Gant-Ag ein paar Konten bei Gateway - ein riesiges Unternehmen wie dieses setzte nicht auf eine Bank allein. Aber Blakely und Gantner schienen mehr zu sein als nur Partner in Bankgeschäften. Und was verband die beiden mit Jasper Heccomb? Ich gab Murrays Paßwort ein, um die Lexis-Datenbank auf seinem Computer aufzurufen, und überprüfte den Vorstand von Gateway. Alec junior gehörte ihm genauso an wie Heccomb. Doch so weltbewegend war diese Information auch wieder nicht, denn es ist nichts Ungewöhnliches, daß die Leiter gemeinnütziger Einrichtungen auch bei großen Gesellschaften im Vorstand sind. Nach dem ganzen Gerede über die soziale Verantwortung in den siebziger Jahren sitzt heutzutage in den meisten Unternehmen ein Vorzeigevorstandsmitglied aus dem gemeinnützigen Bereich. Wenn die drei befreundet waren, verwunderte es auch nicht, daß sie sich gegenseitig in den Vorständen beehrten.
    Aus reiner Neugierde rief ich die Informationen zu Gant-Ag ab. Blakely war dort im Vorstand, genau wie die Vorsitzenden von Ft. Dearborn Trust und den anderen Chicagoer Großbanken. Heccomb war nicht aufgeführt, aber das bewies gar nichts - vielleicht hatte Alec junior es nicht geschafft, seinem Onkel den dritten Musketier als Vorstandsmitglied von Gant-Ag zu verkaufen.
    In dem Stapel Papier konnte ich nichts finden, was mich darüber aufgeklärt hätte, wieso Blakely und Alec junior mit Jasper Heccomb zusammensteckten. Ich hatte zwar nicht alles gelesen, aber das, was ich angeschaut hatte, ließ mich Murray zustimmen - es war nichts Aufregendes dabei. Ich blätterte die restlichen Sachen durch, so müde, daß ich den Namen las, ohne ihn bewußt wahrzunehmen, und wollte gerade den ganzen Stapel wieder in den Karton stecken,