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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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als es mir wie Schuppen von den Augen fiel.
    Fieberhaft ging ich die Ausdrucke noch einmal Seite für Seite durch. Das Wall Street Journal hatte im vergangenen Jahr darüber berichtet: Craig Gantner hatte einem Untersuchungsausschuß des Senats zum Thema Banken und Betäubungsmittel gegenüber versichert, daß Gant-Ag nichts mit der Century Bank oder JAD Holdings zu tun hatte.
    Der Artikel gab keine Auskunft darüber, warum der Senat den Bruder des angesehenen Senatsmitglieds hinsichtlich einer solchen Verbindung befragte. Wieso war das wichtig? Ich legte das Blatt auf die Tastatur von Murrays Computer und las es mir genauer durch. Bei meinen Nachforschungen über die Century Bank hatte ich herausgefunden, daß die JAD Holdings Group Century aufgekauft hatte, aber ich hatte mir nicht die Mühe gemacht nachzuschauen, wer oder was hinter JAD stand. Und jetzt klammerte ich mich an einen Strohhalm, bloß weil besagte JAD im gleichen Absatz wie die Gantners erwähnt wurde. Außerdem hatte sich der Brief, den ich am Vorabend von Fabian mitgenommen hatte, in einer mit »JAD« beschrifteten Akte befunden. Ich befragte Lexis nach dem Vorstand von JAD, wurde aber an einen Strohmann verwiesen, der als Handlungsbevollmächtigter fungierte.
    Natürlich gab es da bezüglich der Century Bank noch eine Frage - abgesehen von der nach dem Grund, warum sie sich so plötzlich aus dem Lamia-Projekt zurückgezogen hatte. Warum hatte Donald Blakely jegliche Verbindung mit Century abgestritten, wenn seine rechte Hand dort im Vorstand saß?
    Ich rieb mir frustriert die Stirn. Wenn ich ausgeschlafen wäre, würde der Papierwust am nächsten Morgen vielleicht mehr Sinn ergeben. Ich stopfte die ganzen Unterlagen in den Karton und hievte ihn hoch. Papier wiegt Tonnen: Als ich die Schachtel zum Aufzug und aus dem Gebäude hinausschleppte, spürte ich, wie die Venen an meinen Oberarmen hervortraten.
    »Jetzt weiß ich noch was über Sie: Sie sind nicht nur schön, sondern auch stark.« Da ich über meine Last gebeugt war, als ich aus dem Gebäude trat, hatte ich MacKenzie Graham nicht bemerkt. Er grinste mich wieder mit derselben schwachsinnigen Selbstzufriedenheit an, die er an den Tag gelegt hatte, nachdem er mir gefolgt war. Eigentlich hatte ich gedacht, daß er nach unserer nächtlichen Sitzung mit dem Spielchen aufhören würde.
    »Dann wollen wir doch mal sehen, ob Sie nicht nur clever, sondern auch stark sind ... « Damit drückte ich ihm den Karton in die Arme.
    Irgendwie freute es mich zu sehen, daß er ein bißchen unter der Last wankte. Aber diese Freude machte meinen Arger darüber nicht wett, daß ich ihn am Morgen nicht hinter mir bemerkt hatte. Solche Fehler sind in meinem Metier der sichere Tod. »Arbeiten Sie nebenher als Schrotthändlerin?« erkundigte er sich. »Genau. So hab' ich Sie ja auch aufgegabelt.« Ich öffnete den Kofferraum des Trans Am, damit er den Karton darin verstauen konnte.
    Er sah mich von der Seite an. »Ich wollte nur sichergehen, daß alles in Ordnung ist.« »Mm. Also sind Sie heute früh wieder vor meinem Haus gewesen und mir nachgefahren. Aber nicht in dem Spider, oder?«
    »Dad hat mir seinen Lincoln geliehen. Ich hab' ihm gesagt, daß ich vielleicht einen Job gefunden habe. Da hat er sich so gefreut, daß er mich gar nicht gefragt hat, warum ich nicht mit meinem eigenen Wagen fahren kann.«
    Ich versetzte ihm einen Kinnstüber. »Na, da bin ich aber gerührt. War' mir auch gar nicht recht gewesen, wenn Sie Ihren Papa angelogen hätten.« »Was, moralisch sind Sie auch noch?«
    »In gewisser Hinsicht schon. Wissen Sie was - vielleicht habe ich tatsächlich einen Job für Sie.« Als sein Gesicht sich aufhellte, fügte ich hinzu: »Ist Knochenarbeit. Die Person, die Deirdre Messenger letzte Woche in meinem Büro ermordet hat, hat meine Festplatte gelöscht. Außerdem sind meine ganzen Akten auf dem Boden verstreut, so daß es eine Herkulesaufgabe ist, meine Buchhaltung zu rekonstruieren. Weil die Steuer nächste Woche fällig ist, muß ich die Akten neu erfassen - mit der Hand. Glauben Sie, Sie würden so einen Job durchhalten?«
    »Sie haben Ihre Daten nicht zusätzlich auf Diskette abgespeichert?« fragte er mich ungläubig wie ein Zahnarzt, der es nicht fassen kann, daß man sich noch immer keine Munddusche angeschafft hat.
    »Doch, aber der Mörder hat meine ganzen Disketten gestohlen ... Ich weiß, ich weiß, man sollte die Sicherungskopien an einem anderen Ort aufbewahren. Die Horrorstorys von wegen

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