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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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mit dem, was Sie mir am Samstag gesagt haben, recht haben -, dann könnte er sie auch umgebracht haben. Aber es sind die Fingerabdrücke seiner Tochter auf der Mordwaffe. Und außerdem ist er ein guter Freund des Staatsanwalts ... « Ihre Stimme schweifte ab. Sie wurde rot und biß sich auf die Lippe; wahrscheinlich schämte sie sich, ihre Gefühle verraten zu haben. Sie sagte nichts mehr, als sie uns in so zügigem Tempo zum Ausgang an der State Street begleitete, daß Ken unter der Last des Computers völlig außer Atem geriet.

Das Körnchen fällt nicht weit vom Kolben
    Die Fahrt nach Morris war ziemlich anstrengend. Die Vororte westlich von Chicago scheinen nie aufzuhören. Hier reckten sich die Masten neuer Mautschranken in den Himmel, dort wurden gewaltige Einkaufszentren und Gemeinden aus dem Boden gestampft, die das umliegende Farmland wie ein gefräßiger Drache verschlangen. Als ich durch diese vernarbte Landschaft fuhr, kam ich mir vor wie ein Pionier, der die umgekehrte Richtung eingeschlagen hatte: Ich brachte endlose Betonwüsten hinter mich, um offenes Land zu gewinnen.
    Ich war so hypnotisiert von der Straße, daß ich beinahe die Ausfahrt nach Morris verpaßt hätte. An der Kreuzung tankte ich voll und erkundigte mich nach dem Weg zum Hauptquartier von Gant-Ag. Der Tankwart, ein Mann mittleren Alters mit sehnigen Armen, unterbrach ein Gespräch mit einem anderen Mann im Arbeitsanzug, um mir die Richtung - auf dem Highway weiter nach Süden - zu weisen. »Das können Sie gar nicht verpassen, Ma'am. Nach ungefähr zwanzig Kilometern sehen Sie überall die Schilder - denen gehört der größte Teil des Landes da unten.« »Und hier oben auch«, fügte der Mann im Arbeitsanzug hinzu. »Eins ist sicher: Ich gehöre denen auf jeden Fall.«
    Die beiden lachten, nicht, weil sie sich amüsierten, sondern eher frustriert, und schenkten mir keine Beachtung mehr, als ich mich bedankte und verabschiedete. Obwohl es sich bei dem Highway strenggenommen um eine Nebenstraße handelte, hatte er doch vier Spuren, und der Belag wie auch die Spurmarkierungen waren nagelneu. Das hier war »Gantner-Land«, teilte mir ein Schild des Straßenbauamts mit. »Baut mir einen Senator auf, dann folgen bald die Straßen«, murmelte ich. Mit mir unterwegs waren Dutzende von Sattelschleppern und Lastern, viele davon mit dem Logo von Gant-Ag - ein Maiskolben mit dem Motto: MAIS FÜR AMERIKAS ZUKUNFT. Mein Trans Am kam mir vor wie ein winziges Schleppboot inmitten von riesigen Dampfern.
    Hinter gut gepflegten Zäunen bedeckte die neue Ernte grün die Felder. In unregelmäßigen Abständen sah ich kleine Metallschilder an diesen Zäunen. Neugierig geworden, lenkte ich den Wagen an den Straßenrand und sprang über den Entwässerungsgraben, um eins der Schilder zu lesen. Die Mühe hätte ich mir eigentlich sparen können, denn unter dem Logo stand nur, daß es sich um ein Versuchsfeld von Gant-Ag handelte. Ich bückte mich, um mir die seidigen Pflanzen anzusehen, ohne mit meinem ungeschulten Städterblick etwas Ungewöhnliches daran zu entdecken. Um ehrlich zu sein: Wenn ich nicht gewußt hätte, daß das Mais war, hätte es in meinen Augen auch Weizen oder Gerste sein können.
    Als ich wieder zu meinem Wagen zurückging, tauchte ein Hubschrauber am Horizont auf. Ich stand da, eine Hand am Türgriff meines Wagens, und beobachtete ihn. Er steuerte entschlossen über das Maisfeld auf mich zu, schwebte einen Augenblick über dem Trans Am und verschwand dann wieder. Ich winkte und lächelte wie ein freundlicher Tourist, aber die Sache erstaunte mich. Irgendwo am Straßenrand beobachtete mich also eine Kamera. Ich schaute mich um, konnte sie jedoch nicht entdecken. Zwar hatte ich nichts zu verbergen, aber trotzdem gefiel mir die Angelegenheit nicht.
    Auf der Straße hielt ich mich bewußt im Windschatten eines riesigen Lasters. Wahrscheinlich waren die Kameras in die Zaunpfosten eingebaut, so daß sie mich von der Seite aufnahmen, doch der Laster gab mir dennoch ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Ich folgte ihm bis zu einer Abzweigung, an der ein Schild mit dem inzwischen vertrauten Maiskolben-Logo stand.
    Ungefähr einen Kilometer später kam ich zu einem Wachhäuschen mit einer Schranke. Ein Lastwagen vor mir hatte gerade passiert. Doch die Schranke war schon wieder unten. Der Wachposten erkundigte sich über Mikro, was ich wolle, und blieb in seinem Häuschen - zweifelsohne waren die Fenster aus schußsicherem Glas. »Ich möchte mit

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