Engel im Schacht

Alec Gantner sprechen. Mit dem Gantohol-Alec, nicht mit dem Senator«, brüllte ich zurück.
    »Wie heißen Sie?« fragte mich die blecherne Stimme.
    »Ach, stellen Sie sich doch nicht so an!« rief ich. »Euer Hubschrauber hat mich schon längst entdeckt. Ihr habt genug Zeit gehabt, mein Nummernschild zu überprüfen. Fragen Sie einfach, ob der Mann mit mir reden will oder nicht.« Der Wachposten war alles andere als amüsiert. Nach einem weiteren kurzen Wortwechsel holte ich meine Visitenkarte aus der Brieftasche und hielt sie ihm hin. Fast rechnete ich mit einem Metallarm, der sie mir entreißen würde, damit der Mann keine Gefahr lief, mit der frischen Luft in Berührung zu kommen, aber er schob tatsächlich eine Glasscheibe zurück und nahm die Karte selbst. Nachdem er ein paar Minuten lang ins Telefon gesprochen hatte, brummte er mir zu, ich könne passieren. »Fahren Sie an der Weggabelung nach rechts bis zum Bürogebäude und stellen Sie den Wagen auf dem Besucherparkplatz ab. Am Eingang nimmt Sie dann jemand in Empfang.«
    Zwischenzeitlich hatte sich hinter mir eine Schlange von sechs oder sieben Lastwagen gebildet. Wahrscheinlich war der Wachposten eine Weile mit denen beschäftigt; also fuhr ich an der Weggabelung nach links und kam an Lagerhäusern vorbei, vor denen Lastwagen be- und entladen wurden. Schließlich kam ich zu einer kleinen Start- und Landebahn, auf der reger Betrieb herrschte: Zwei Hubschrauber, ein paar Flugzeuge für die Schädlingsbekämpfung und ein kleiner Jet standen auf dem Rollfeld. Gerade landete noch ein weiterer Helikopter; vielleicht waren das die Typen, die mich beobachtet hatten. Vorsichtshalber winkte ich ihnen zu, bevor ich den Wagen wendete und zurückfuhr.
    Das Bürogebäude war modern und funktional. Die getönten Fenster waren das einzige Zugeständnis an das zeitgenössische Design, obwohl auch die vermutlich aus rein praktischen Gründen, zum Schutz gegen die gleißende Präriesonne, gewählt worden waren. Uber dem Portal stand in Beton gemeißelt das allgegenwärtige Motto
    MAIS FÜR AMERIKAS ZUKUNFT.
    Als ich die Schwelle überschritt, kam ich mir vor, als betrete ich ein Konzentrationslager - die Nazis hatten sich auch gern solche kernigen Sprüche gewählt.
    Ein hemdsärmeliger junger Mann mit Hosenträgern wartete gleich hinter der Tür auf mich. Er begrüßte mich mit einem kräftigen Händedruck, wollte aber gleich wissen, warum ich so lang gebraucht hätte. Er sprach im nasalen Tonfall der Präriebewohner, der diese unglaublich aufrichtig, zu keiner Schandtat fähig, erscheinen läßt. Als ich ihm erklärte, ich wäre zuerst in die falsche Richtung gefahren, musterte er mich, äußerte sich aber nicht weiter dazu. Statt dessen führte er mich einen Flur am nördlichen Ende des Gebäudes entlang. Es war größer, als es von außen wirkte: Die schmale Front verbarg ausgedehnte Flügel dahinter.
    »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn Sie ein paar Treppen steigen müssen, oder?« erkundigte sich mein Führer am Ende des Flurs. »Es sind nur zwei Stockwerke, und es geht schneller, als auf den Aufzug zu warten.«
    Ich stimmte ihm freundlich zu und trottete hinter ihm her. Oben gelangten wir zu einer Reihe von Zimmern hinter einer Tür, auf der der Wahlspruch prangte: GANTOHOL - FÜR AMERIKAS ZUKUNFT. Wenn ich mir's recht überlegte, war das auch der Wahlkampfslogan von Alec senior gewesen - Gantner für Amerikas Zukunft. Vielleicht hatte das aber auch nur für Illinois gegolten.
    Der junge Mann ließ mich in einem Vorzimmer zusammen mit einem ganzen Stapel Fortune- und Business Week-Heiten sowie einem näselnden »Einen Augenblick, bitte« allein und verschwand hinter einer verschlossenen Tür aus Redwoodholz. Bevor ich Zeit hatte, eine leidenschaftliche Verteidigung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens zu lesen, kehrte mein Führer zurück und geleitete mich hinein. Genau wie das ganze Gebäude war auch das Büro innen größer, als von außen zu vermuten stand. Hinter der Tür aus Redwoodholz lag ein kurzer Flur, von dem zu beiden Seiten Büros abgingen. Eine Frau nahm Telefongespräche an einem Kontrollpult am oberen Ende des Korridors entgegen; in den Räumen saßen jeweils zwei Leute an einem Schreibtisch und arbeiteten an ihren Computern oder telefonierten.
    Mein Begleiter brachte mich zu einem Eckzimmer, das auf die Start- und Landebahn ging. Alec junior erhob sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch, um mir die Hand zu schütteln.
    »Danke, Bart.