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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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erzählen können, die ihre Initiation begleitet hat?« Ich wollte gerade sagen, das bewiese wohl, daß ich keine erfolgreiche Frau war, doch dann fielen mir die Toiletten im Pulteney-Gebäude ein, die ständig verstopft und in den zehn Jahren, die ich nun schon dort war, roch kein einziges Mal repariert worden waren. Zum erstenmal wurde mir bewußt, daß die Herrentoiletten, obwohl auch alles andere als hübsch, immer irgendwie funktioniert hatten. Außerdem gab es davon in jedem Stockwerk eine.
    »Das stärkt den Charakter. Oder doch zumindest die Muskeln. Apropos Toilettengeschichten: Ich bin inzwischen so was wie ein Klempner - ich kann einen vollen Werkzeugkasten drei Stockwerke hochtragen, ohne mit der Wimper zu zucken. Wie geht's, Camilla?«
    »Kann mich nicht beklagen, Vic. Wie geht's Conrad? Ich hab' nicht mehr mit ihm geredet, seit er Nachtschicht schieben muß.«
    Camilla war ein Jahr jünger als Conrad und stand ihm von seinen Familienangehörigen am nächsten. Sehr zum Kummer ihrer verwitweten Mutter hatte sie sich gegen eine Verwaltungstätigkeit entschieden, für die sie aufgrund ihrer High-School-Ausbildung prädestiniert gewesen wäre, und statt dessen als Schweißerlehrling in den alten South Works angefangen. Als es mit der Stahlindustrie bergab ging, hatte sie Bauschreinerin gelernt und bei einem kleinen Bauunternehmen angefangen. »Jetzt muß ich was anderes probieren«, hatte sie mir im vergangenen Sommer mitgeteilt. »Ich hab' für anständige Kerle und für Arschlöcher gearbeitet; im allgemeinen haben die Arschlöcher überwogen. Aber keiner will mehr Frauen einstellen als unbedingt nötig. Wir werden das ändern und ein eigenes Unternehmen nur mit Frauen gründen. Wir müssen bloß irgendwo das Geld dafür herkriegen.«
    Mein erster Gedanke war Sal gewesen, die ziemlich viele Immobiliengeschäfte abschloß, aber die Rezession machte ihr doch sehr zu schaffen, so daß sie keine neuen Projekte finanzieren konnte. Daraufhin hatte ich sie mit Phoebe zusammengebracht, die Camilla und fünf anderen Frauen dabei half, ihr Unternehmen zu gründen, dem sie den Namen Lamia gaben, nach einer alten, griechisch-libyschen Göttin. Auf Phoebes Anregung hin hatten sie sich auf ein Projekt geeinigt, das sie alle interessierte: billige Wohnungen für alleinerziehende Mütter. Sie hatten einen Architekten gefunden, der ihnen die Pläne zeichnete, damit sie sich um Finanzierung, Baugenehmigung und alles andere kümmern konnten, was man so braucht, wenn man im Bauwesen gute oder auch schlechte Werke tun möchte.
    »Wir haben gedacht, an der Baugenehmigung ist nicht mehr zu rütteln, aber plötzlich sieht das anders aus«, erklärte Camilla. »Und nicht nur das: Die Century Bank, die eigentlich einen großen Teil der Finanzierung übernehmen wollte, hat einen Rückzieher gemacht.«
    »Und jetzt brauchen wir dich, Vic.« Phoebe grinste mich zahnlückig an, ein bewährtes Mittel, wenn sie etwas erreichen wollte.
    »Nein«, sagte ich kurz angebunden.
    »Was meinst du mit >nein    »Ich meine, daß ich nicht in dem Rattennest im Rathaus rumstochern werde, um rauszufinden, wer da wem den Käse wegfrißt, um eure Genehmigung abzuwürgen.« »Aber Vic«, fing Camilla an, doch Phoebe fiel ihr ins Wort. »Vic, das ist ein wichtiges Frauenprojekt. Wir müssen herausfinden, was die Opposition zu solchen Handlungen treibt - liegt es daran, daß Lamia allein Frauen gehört? Oder geht's um die billigen Wohnungen? Denn, um ehrlich zu sein, wir können das Projekt entsprechend ändern.«
    Als Camilla einwarf, das Projekt sei zu wichtig, um abgeändert zu werden, winkte Phoebe ab. »Ich weiß, daß alle bei Lamia unbedingt billige Wohnungen für Frauen bauen wollen. Aber zuerst müssen wir das Geld auftreiben und euch einen Ruf zurechtzimmern. Wenn ihr den erst mal habt, könnt ihr euch die Sachen auch aussuchen.«
    »Phoebe, du kennst doch die Leute von der Century Bank. Die verlangen für ihre Beratung nichts. Warum willst du mir das Geld in den Rachen werfen?« Phoebe beugte sich zu mir herüber. »Wenn Interessenkonflikte zwischen der Bank und leitenden Beamten im Rathaus bestehen, vielleicht sogar mit den Gewerkschaften, dann werden die nicht mit mir reden wollen. Aber das könntest du feststellen. Außerdem habe ich gedacht, daß du deine Arbeitszeit für das Lamia-Projekt kostenlos zur Verfügung stellst, genau wie ich. Natürlich ersetzen wir dir die Auslagen.« »Laß dir das noch mal durch den

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