Engel im Schacht
mit Waffenlieferungen an die nicaraguanischen Contras zu tun. Aber vielleicht untersagte sie ja grundsätzlich alle Geschäfte mit terroristischen Organisationen? Ich überlegte, was Fabian wohl tun würde, wenn ich ihn anriefe und um seine Meinung zu der Frage bäte.
Von Gant-Ags Geschäften mußte etwas im Kongreß ruchbar geworden sein: denn in dem Stapel Artikel, die Murray mir herausgesucht hatte, waren auch ein paar Berichte darüber gewesen, daß Alec junior und Craig, der Bruder des Senators, vor einem Untersuchungsausschuß des Senats ausgesagt hatten, Gant-Ag verletze das Embargo nicht. Alle getreideproduzierenden Unternehmen waren schwer betroffen gewesen von diesem Embargo. Wenn Gant-Ag es umgehen wollte, mußte die Firma das Geschäft über einen Mittelsmann wie Khalil abschließen.
Und der 50-Millionen-Dollar-Kreditrahmen der Century Bank für Home Free: War das das Geld, das für Gant-Ag durch ein gemeinnütziges Unternehmen geschleust wurde? Wenn Century und Home Free für Gantner Geld wuschen, wunderte es mich nicht, daß Blakely und Heccomb es nicht paßte, wenn ich in der Sache Century herumschnüffelte. Die Musketiere hatten das Darlehen für Lamia gestrichen, denn als JAD Century kaufte, wurden die Kredite für Minderheiten und von Frauen geleitete Unternehmen reduziert. Und dann war laut Aussage von Cyrus die Omertä über das Rathaus verhängt worden.
Probleme hatten sich ergeben, als ich anfing, Fragen zu stellen, warum Lamia nicht nur die Baugenehmigung, sondern auch der Kredit entzogen worden war. Gantner redete mit Phoebe und bat sie, mich dazu zu bringen, daß ich meine Nachforschungen auf Eis legte. Dafür wollte er seinen Papa überreden, ihr die Zustimmung der Food and Drug Administration für ihren T-Zellen-Aktivator zu besorgen. Und um den Schlag gegen Lamia abzumildern, leierten sie Heccomb ein Sanierungsprojekt für die Frauen aus dem Kreuz.
Auch folgendes war keine große Überraschung: Home Free hatte sich aus der direkten Vermittlung der Unterkünfte für Obdachlose zurückgezogen. Wenn die Organisation tatsächlich dazu diente, Gant-Ags Geld ins Land zu bringen, hatte sie weder Zeit noch Energie übrig für die Arbeit als sozial orientiertes, gemeinnütziges Unternehmen. Und Heccomb hatte mit Sicherheit auch kein sonderliches Interesse daran, daß der Staat oder die Stadt die ständigen Kontrollen durchführten, denen sich gemeinnützige Einrichtungen unterziehen müssen.
Gleichzeitig schwamm Home Free in Geld. Warum also nicht einen Teil davon ins Bauwesen einschleusen? Indem man mit den Rumänen arbeitete und ihnen so gut wie nichts zahlte, konnte man die eigenen Gehaltsabrechnungen gewaltig in die Höhe treiben, damit es so aussah, als flössen tatsächlich große Beträge in Bauvorhaben. Wieviel von alledem hatte Deir dre gewußt? Vielleicht hatte sie die frisierten Gehaltsabrechnungen bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit entdeckt. Möglicherweise hatte sie sogar von dem Kreditrahmen gewußt. Da sie mit Fabian verheiratet war, konnte sie auch ohne allzu große Aufmerksamkeit mitbekommen haben, daß Gant-Ag gegen die Boland-Novelle verstoßen wollte.
Ich bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, der mich jetzt durchfuhr: Hatte Deirdre den drei Musketieren von ihrem Wissen erzählt? Machte sie sich Hoffnung - aber auf was? Vielleicht wollte sie ja gar nichts Materielles mit ihrer Drohung gewinnen, vielleicht glaubte sie lediglich, wenn sie den Mund hielte, würden sie sie als Mitarbeiterin ernst nehmen. Aber wenn fünfzig Millionen Dollar im Spiel waren, hatten sie sie wahrscheinlich als überflüssiges Ärgernis eingestuft.
Deirdres Dinnerparty kam mir in den Sinn: Sie war betrunken gewesen und aggressiv und hatte Andeutungen fallenlassen - über Jasper Heccomb und darüber, wie zufrieden Blakely und Gantner mit ihm sein müßten. An jenem Abend war ihnen vermutlich klargeworden, daß ihre Geheimnisse nicht mehr wert waren als die nächste Flasche Burgunder, die sie trank.
Wenn. Wenn all meine Mutmaßungen stimmten. Ich nahm ein Stück Papier von Blakelys Schreibtisch und notierte mir Khalils Namen, seine Adresse und das Datum des Briefes. Nachdem ich die Akte mit den ausländischen Kunden in die Schublade zurückgelegt hatte, holte ich die Unterlagen von Gant-Ag heraus. Das war die dickste Akte, die Blakely überhaupt hatte - sie maß fast fünfzehn Zentimeter. Ich warf einen Blick auf meine Uhr: Ich war mittlerweile seit mehr als einer Stunde hier oben. Ob der Wachmann
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