Engel im Schacht
»Das können Sie nicht machen«, keuchte sie. »Ich hole die Polizei.« »Kein Problem«, erwiderte ich, nahm das Telefon vom Boden und schloß es wieder an. »Ich wähle die Nummer für Sie, damit wir sicher sind, daß Sie wirklich bei der Polizei anrufen und nicht bei Gary Charpentier oder Anton.«
Sie hörte auf, auf Murray einzuschlagen, und sah mich mit mürrischem Blick an. Murray stellte inzwischen seinen Kassettenrecorder auf und überprüfte das Mikrofon. Ich wartete, bis er fertig war, bevor ich fortfuhr.
»Wir zeigen den Beamten zuerst das Bargeld, das Jasper in seinem Büro hat. Sie wissen schon - die Scheinchen, mit denen er die Bauunternehmer bezahlt, ohne daß das in seinen Buchhaltungsunterlagen auftaucht. Damit Leute wie Charpentier illegalen Einwanderern aus Osteuropa Brosamen zuwerfen können, während er selbst die Hunderter in die Tasche schiebt.« Sie lächelte verächtlich, sagte aber nichts.
»Sie hat von den illegalen Arbeitern gewußt«, erklärte ich Murray. »Ich würde wetten, daß sich Ihre Mutter über die Geschichte in der Zeitung freuen wird.«
»Wir haben niemandem Schaden zugefügt«, fauchte Tish mich an. »Sie haben hier mehr Geld bekommen, als sie zu Hause je verdient hätten. Und sie haben ja auch nur ein paar Monate so leben müssen. Schließlich waren das keine Penner oder Obdachlose.«
»Klingt fast wie Jasper Heccomb. Sind Sie sicher, daß Sie das, was Sie sagen, selbst glauben, Tish?« fragte Murray mit großen blauen Augen. »Von der Frage, ob amerikanische Arbeiter vielleicht diese Arbeit hätten machen können, statt auf der Straße zu stehen, wollen wir mal gar nicht sprechen. Waren Sie denn wirklich einverstanden mit dieser Unternehmenspolitik?«
Als Tish die Hände rang, ohne etwas zu sagen, meinte ich: »Sie wissen also, daß die Zahlungen an die Arbeiter nie in den Büchern aufgetaucht sind. Wissen Sie auch, daß Jasper fünf Millionen Dollar in der Schublade in seinem Büro hatte?« Sie hob erstaunt den Blick, dann platzte es aus ihr heraus: »Sie täuschen sich: Er hat mir das Geld am Montag selbst gezeigt. Das waren nur fünfzehntausend Dollar.« Ich nickte. »Jasper mußte Ihnen das Geld zeigen, weil ich Freitagnacht hier eingebrochen bin und gesehen habe, daß die Schublade bis zum Rand mit Hundertern voll war. Er hat sich wohl gedacht, wenn er Ihnen die Story zuerst erzählt, glauben Sie ihm. Schließlich haben Sie schon oft den Mund gehalten, weil Sie ihm glauben müssen. Nun verläßt er sich drauf, daß Sie es wieder tun.
Aber hören Sie mir gut zu, wenn ich Ihnen jetzt etwas erkläre: Jasper und seine Freunde werden wahrscheinlich ins Gefängnis müssen, und zwar eine ganze Weile. Sie müssen nun entscheiden, ob Sie ihn begleiten oder nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn Jasper Ihnen die Schuld in die Schuhe schiebt, sobald er sich in die Enge getrieben sieht. Er könnte beispielsweise behaupten, daß die finanzielle Blütezeit von Home Free mit Ihrer vorübergehenden Tätigkeit als Leiterin begonnen hat. Ich weiß mit Sicherheit, daß Anton auf der Abschußliste steht - Sie kennen doch Anton, oder?«
Sie tat so, als starre sie gelangweilt zum Fenster hinaus, aber sie konnte ihre wahren Gefühle nicht verbergen. Trotz ihrer äußerlichen Gefaßtheit zitterte sie leicht.
»Sie können sich eine Menge Kummer ersparen, wenn Sie jetzt offen reden. Sie können natürlich auch darauf hoffen, daß das bißchen Aufmerksamkeit, das Jasper Ihnen schenkt, Ihnen über die nächsten fünf Jahre im Knast hinweghelfen wird.«
»Sie sind hier diejenige, die ins Gefängnis muß«, sagte sie mit zornig funkelnden Augen. »Sie haben gerade zugegeben, daß Sie hier eingebrochen sind.«
»Ja, Sie haben recht. Ich habe gegen das Gesetz verstoßen. Aber das weiß die Polizei.« - Zumindest Conrad wußte davon. »Und es gefällt ihr gar nicht, aber ein Haftbefehl gegen mich wurde deswegen nicht beantragt. Es wird sich sowieso das FBI, nicht die Polizei hier in der Stadt, um Jaspers Geschichte kümmern. Ich bin ja nur gespannt, ob Senator Gantner genügend Einfluß hat, auch noch das Justizministerium auszuschalten.«
Tish schob den Unterkiefer vor. »Ich habe gewußt, daß Jasper Leute schwarz für sich arbeiten läßt, aber das ist kein großes Verbrechen. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist eine Geldstrafe. Alle Leute wollen billige Wohnungen für die Obdachlosen, niemand möchte die Rechnung dafür übernehmen. Wenn wir die gewerkschaftlich
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