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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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mitfühlend die Schulter. Sie zuckte mit einem Aufschrei zurück. Als wir hinausgingen, hörten wir, daß sie schluchzte.

Die Stimme der Toten
    »Sie tut mit leid«, sagte Murray, als wir vor seinem Wagen standen. »Du warst ganz schön grob zu ihr.«
    »Mir tut sie auch leid. So leid, daß ich ihr gern noch mal so einen Schrecken einjage, der sie davon abhält, immer weiter die schmutzige Wäsche für Heccomb zu waschen.« »Apropos Wäsche - diese Unterlagen deuten auf etliches hin, aber sie beweisen gar nichts. Gateway hat zwar Gant-Ag-Schulden von Century übernommen, aber das führt uns noch lange nicht zu den Caymaninseln.« Ich grinste ihn an. »Das ist wieder mal der beste Beweis, daß du immer noch der eifrige junge Reporter bist, der alle anderen in die Tasche stecken kann. In einer der Storys, die du für mich ausgegraben hast, stand, daß Craig Gantner vor einem Untersuchungsausschuß des Senats ausgesagt hat, Gant-Ag habe das Embargo nicht unterlaufen. Erkundige dich doch mal in Washington, wer da genug gewußt hat, um eine Vorladung für den Bruder des Senators zu kriegen. Rede mit Messenger: Er hat Gantner im Zusammenhang mit der Boland-Novelle beraten. Fabian würde nie mit mir sprechen, aber dir könnte er unter Umständen anvertrauen, was der Senator mit der Novelle drehen wollte.«
    Murray drückte mir einen feuchten Kuß auf die Nase. »Das könnte eine große Story werden, Warshawski. Ich lade dich zum Essen ins Ritz ein, wenn ich den Pulitzerpreis bekomme.«
    »Sei still, mein wartend Herz. Wie wär's, wenn du mich statt dessen zu meiner Tür begleitest? Ein großer häßlicher Typ ist mir auf den Fersen, dem ich nicht allein begegnen möchte.«
    Murray reagierte spöttisch, wie nicht anders zu erwarten, aber als ich von Antons Angriff auf Emily erzählte und davon, daß ich am gleichen Vormittag auf der Treppe von Gateway rumgeschlichen war, pflichtete er mir bei.
    »Ich weiß nicht so recht, Warshawski. Wann hat die kleine Detektivin Nancy Drew ihren Ned jemals drum gebeten, daß er sie nach Hause begleitet?« fragte er, nachdem wir ohne Zwischenfälle bei meiner Wohnung angelangt waren. »Du mußt mir Anton jetzt schon persönlich apportieren, wenn du möchtest, daß ich dir in Zukunft weiter glaube.«
    »Bloß, wenn er in Latex gehüllt ist - ich will mir keine Tollwut oder noch was Schlimmeres holen, wenn ich ihn anrühre.«
    Mit diesem kleinen Scherz trennten wir uns, aber ich machte mir Gedanken, wie lange mich die Musketiere noch in Ruhe lassen würden. Vielleicht hatten sie über ihren Informanten bei der Stadt erfahren, daß ich vom Krankenhaus aus zu Conrad gefahren war. Doch schon bald würden sie vermutlich von meiner Rückkehr in meine eigene Wohnung wissen.
    Ich beobachtete die Straße vom vorderen Fenster aus. Mein Wagen stand dort groß und rot und einladend, als wolle er sagen: »Komm und hol mich.« Es war zu spät, ihn an einen anderen Platz zu fahren - er hatte bereits mehr als einen Tag da gestanden. Darüber konnte ich mir jetzt nicht auch noch Sorgen machen.
    Mir taten die Beine weh, also ging ich in die Küche und machte mir aus ein paar Packungen gefrorener Erbsen Eisbeutel. Mit Leukoplast befestigte ich sie an meinen Beinen und legte mich aufs Sofa. Eigentlich hatte ich bloß ein kurzes Nickerchen machen wollen, aber das Klingeln des Telefons weckte mich erst kurz nach sechs. »Hören Sie Ihren Anrufbeantworter eigentlich nie ab?« Das war Ken Graham. »Ich habe gestern viermal angerufen.«
    »Verzeihung, Euer Ehren, daß ich nicht sofort heraneile, um Eure Wünsche zu erfüllen. Darf ich mich vor der Exekution noch kurz von meinen Hunden verabschieden?« »Ach. Sie finden mich also penetrant. Tut mir leid. Aber ich hab' was wirklich Interessantes in Ihrem Computer gefunden. Einen Brief von Deirdre an Sie.« Er lachte, als ich nur ein paar halb verständliche Fragen herausbrachte. »Wüßt' ich's doch, daß Sie das überraschen würde. Ich habe eine ganze Reihe von Ihren buchhalterischen Daten rekonstruiert und ausgedruckt. Und ich habe mir Ihre Textverarbeitung angesehen, weil ich dachte, es könnte ja was neueren Datums dabei sein, das Sie vielleicht brauchen. Und da habe ich die Botschaft aus dem Grab gefunden.«
    »Was steht drin? Woher wissen Sie, daß Deirdre den Brief geschrieben hat?« Ich setzte mich auf und schaltete die Lampe ein.
    »Sie hat's formuliert wie ein Memo: An Vic von Deirdre. Datum und alles. Sie schreibt - ich lese Ihnen vor, was sie schreibt:

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