Engel im Schacht
daß ich lieber nicht mit ihnen durch die Straßen laufen wollte. Wir jagten uns gegenseitig ein paarmal um die Lagoon - das reichte zwar für keinen von uns, um richtig wohlig müde zu werden, aber immerhin gaben die Hunde dann bis zum nächsten Morgen Ruhe.
Als ich mich schließlich geduscht und angezogen hatte - Wollkrepphose und elegante Seidenbluse -, war es schon nach sieben; Deirdres Party hatte bereits begonnen. Ich zog meinen alten Wintermantel über und klapperte wieder die Treppe hinunter. Als ich im Wagen saß, sträubte sich erneut alles in mir. Ich mußte an Deirdres gebeugte Schultern denken, an diese verlorene Seele voller Gehässigkeit, und fuhr gemächlich nach Süden.
Die Cocktailparty
Als Fabian Messenger seine Professur an der juristischen Fakultät der University of Chicago antrat, kaufte er sich ein Haus im alten Kenwood-Viertel, das etwa eineinhalb Kilometer nördlich des Campus liegt. In Kenwood steht eine Villa neben der anderen - Paläste mit dreißig Zimmern, die auf riesigen Grundstücken im letzten Jahrhundert gebaut wurden, überladen mit allen Holzvertäfelungen und Buntglasfenstern, die sich der Viktorianer nur wünschen konnte. Ziemlich lange befand sich das Viertel auf dem absteigenden Ast, weil die Leute, die sich solche Häuser leisten konnten, Angst vor dem Zuzug Farbiger hatten. Heutzutage jedoch war die Gegend ein gefundenes Fressen für die Immobilienhändler, weil reiche Ärzte und Juristen wie Fabian ihr Ego mit Villen aufpäppelten, die an Größe, Opulenz und pittoresker Umgebung direkt am Lake Michigan nichts zu wünschen übrig ließen.
Es war acht, als ich vor dem Haus - dem Palast - der Messengers vorfuhr. Ich atmete tief durch und ging durch die offenen Eisentore. Ich hatte befürchtet, daß die Gäste schon mit dem Essen angefangen hätten und ich mich so unauffällig wie möglich auf einen Platz setzen müßte, während alle die Gabel fallen ließen und mich anstarrten. Doch das fröhliche Gemurmel beruhigte mich. Offenbar legte Deirdre Wert auf eine lange Cocktailstunde. Bei dem Lärm hörte niemand das Klingeln, also drückte ich einfach die Tür auf und mischte mich unter die Leute.
Frauen in Cocktailkleidern und Männer in Abendanzügen kamen aus einem hell erleuchteten Raum zu meiner Linken. Ein paar Leute musterten mich neugierig, wandten sich aber sofort wieder ihren Gesprächspartnern zu, als sie merkten, daß sie mich nicht kannten. Ich schaute mich nach einem Ort um, wo ich meinen Mantel ablegen konnte. Der Tag war nach dem eisigen Anfang so warm geworden, daß ich ihn nicht gebraucht hätte.
An einer Wand stand eine alte Garderobe aus Eiche, wohl mehr zur Zierde als zur praktischen Nutzung, denn an den Haken hingen nur zwei Strohhüte mit Blumen. Ich wußte nicht, ob ich meinen schäbigen alten Wollmantel dorthin hängen sollte. Als ich zögernd davor stand, entdeckte ich einen Schirmständer, ebenfalls nur zur Zierde: Statt Schirmen befand sich darin ein alter Baseballschläger, handsigniert von Nellie Fox. Gerade wollte ich meinen Mantel wieder zum Wagen zurücktragen, als ein kleiner Junge mit blonden Ponyfransen in den Flur kam, die ganz ähnlich aussahen wie die von Deirdre zu der Zeit, als ich sie kennengelernt hatte. Er reichte ein Tablett mit Deirdres Windbeuteln herum, war aber so aufgeregt, daß er nie lange genug verweilte, als daß jemand einen davon hätte nehmen können. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter; er war so überrascht, daß er das Tablett fallen ließ.
Er schluckte. Die Lebhaftigkeit wich aus seinem Gesic ht, und er begann zu zittern.
»Tut mir leid, Kleiner«, sagte ich. »War meine Schuld. Ich hab' dich erschreckt. Komm, ich heb' sie auf - das merkt doch niemand, daß die schon mal auf dem Boden waren -, und dann hilfst du mir dabei, meinen Mantel loszuwerden.«
Er hielt sich die Hand vor den Mund, nickte nervös, rannte zum hinteren Teil des Flurs und rief »Emily! Emily!« durch seine Finger hindurch.
Ich kniete nieder und ordnete das Chaos - Blätterteigdeckel auf schiefe Pilz- und Speckklackse. Deirdre mußte einen ganzen Tag gebraucht haben, sie vorzubereiten, wenn sie genug gemacht hatte, um fünfunddreißig hungrige Mäuler damit zu stopfen. Sie waren ein bißchen zu zäh und ein wenig verbrannt. Warum hatte sie sich überhaupt die Mühe gemacht, wo es eine gute Auswahl an Party Services gab? Als ich gerade die letzten Windbeutel abwischte, kam der Junge durch die Schwingtür am anderen Ende des Flurs
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