Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
zurück. An der Hand hatte er eine junge Frau, die wohl sein Kindermädchen war - die Emily, nach der er gerufen hatte. Sie hatte ein teures Wollkleid an, das jedoch für eine Frau mit größerem Busen und schmaleren Hüften bestimmt war. Offenbar trug sie Deirdres abgelegte Kleider auf, ohne sich darum zu scheren, wie sie an ihr aussahen, denn auch das kräftige Pink paßte nicht sonderlich gut zu ihren braunen Wildlederschuhen.
    Sie kam verlegen auf mich zu und murmelte etwas, das ich bei dem Lärm nicht verstand. Als sie mir schließlich das Tablett abnahm, merkte ich an dem Babyspeck an ihren Handgelenken, daß sie viel jünger war, als ich gedacht hatte, mit Sicherheit noch ein Teenager.
    »Was soll ich mit meinem Mantel machen?« versuchte ich, den Lärm zu übertönen. »Soll ich ihn raufbringen?«
    »Josh nimmt ihn Ihnen ab. Sei vorsichtig«, sagte sie, als der Junge ihn packte. »Laß ihn nicht am Boden schleifen.«
    Sie sah ihm ängstlich zu, wie er die Stufen hinaufrannte und der Mantel dabei doch über den Teppich schleifte. Sie wollte ihm nach, sah mich jedoch zuerst an, als fürchte sie eine Rüge.
    »Der ist schon alt«, meinte ich. »Schmuddeliger, als er ohnehin schon ist, wird er nicht mehr.«
    Sie lächelte nicht zurück. Unter ihren dichten, schlecht geschnittenen Haaren wirkte ihr Gesicht langweilig; einen Moment überlegte Ich, ob sie vielleicht ein bißchen zurückgeblieben war.
    »Die Getränke sind da drin. Soll ich Ihnen etwas bringen?« Ihre Stimme war so leise, daß ich mich anstrengen mußte, sie zu verstehen.
    »Ist schon recht. Ich hole mir selber was. Ist Mrs. Messenger da drin?«
    Sie schüttelte wortlos den Kopf und brachte dann immerhin heraus, daß Deirdre sich in der Küche aufhalte. Ich schlug das Angebot aus, sie dort zu besuchen, denn Chaos in der Küche vor einem großen Abendessen belastet Gast und Gastgeberin gleichermaßen.
    Mit einem, wie ich hoffte, freundlichen Lächeln drängte ich mich ins Wohnzimmer.
    Fabian Messenger hielt beim Kamin hof, den linken Arm auf dem Sims, mit dem rechten leicht Manfred Yeos Schulter berührend. Etwa ein halbes Dutzend Männer lachten über etwas, das er gesagt hatte.
    Ich kämpfte mich durch die Menschenmenge, die sich um die Drinks drängte. Zwei Barkeeper, die einzigen schwarzen Männer im Raum, taten ihr Bestes, um dem Durst der Gruppe Herr zu werden. Ich verlangte einen Whisky und konnte zwischen Red Label und Jim Beam wählen. Ich persönlich würde meinen Gästen nie einen so dünnen, rauhen Scotch anbieten, und dabei verdiene ich wahrscheinlich höchstens ein Zehntel von dem, was Fabian monatlich einstreicht. Murrend nahm ich den Scotch - ich hatte einen zu langen Tag hinter mir, als daß mir ein Glas Chardonnay noch geholfen hätte.
    Mit meinem Glas verdrückte ich mich an den Rand des Geschehens. Eine Bedienstete bot mir hors d'aeuvres von einem Tablett an, aber ich lehnte ab - sie sahen zu sehr nach denen aus, die ich gerade erst vom Boden aufgehoben hatte. Jetzt tauchte auch Josh wieder auf, mit fröhlichem Gesicht und einer Schale Nüssen. Ich nahm eine Handvoll und sah ihm zu, wie er seine Runden im Raum drehte.
    Offensichtlich hatte Fabian nach ihm gerufen, denn eine der Frauen tippte Josh auf die Schulter und deutete in Richtung seines Vaters. Sofort hörte er auf, seine Nüsse herumzureichen, und ging hinüber wie ein Ministrant, der zum Papst gerufen wird. Fabian legte ihm eine Hand auf den Kopf, schien ihm eine Frage zu stellen. Die Gruppe um die beiden lachte, und auch Fabian lachte, aber Josh wand sich zwischen ihren Beinen. Dann entfleuchte er durch eine seitliche Tür, die Schale mit den Nüssen an den Bauch gepreßt. »Süßer Junge«, sagte ein Mann neben mir.
    »Er sieht fast so aus wie Deirdre damals, als ich sie kennengelernt habe - er ist genauso verträumt wie sie.«
    »Ach, Sie sind eine alte Freundin von Deirdre? Ich hab' ein paarmal mit Fabian zusammengearbeitet, aber sie kenne ich kaum.«
    Wir wechselten die üblichen Floskeln, die man bei einem solchen Gespräch von sich gibt, und schafften es schließlich sogar, uns gegenseitig vorzustellen. Mein Gegenüber war Donald Blakely, der Präsident der Gateway Bank.
    »Ich gehöre zu Ihren glücklichen Nutznießern«, sagte ich. »Ich bin zusammen mit Deirdre im Stiftungsbeirat von Arcadia House - wir sind Ihnen wirklich dankbar für Ihren großzügigen Scheck.«
    »Arcadia House?« Blakely sah mich verständnislos an.
    »Ein Frauenhaus am Logan Square. Sie -

Weitere Kostenlose Bücher