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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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hörte sich gekünstelt an. »Ich hätte dich ohnehin noch angerufen. Wir haben uns mit Century geeinigt.«
    »Toll. Wie hat sich denn das ergeben?«
    »Sie haben mir ihre Situation erklärt: Sie haben der Kommune schon zuviel Geld geliehen. Aber sie haben Home Free überredet, Lamia eins von den Obdachlosenheimen sanieren zu lassen. Willst du mir eine Rechnung schicken für die Arbeit, die du bisher geleistet hast?«
    »Nein, nicht nötig.« Ich zeichnete einen Kreis auf meinen Notizblock und verzierte ihn mit ein paar Punkten. »Wir hatten uns ja darauf geeinigt, daß ich fünfzehn Stunden umsonst mache. Ihr habt immer noch dreizehneinhalb gut.« »Ich werd's mir merken. Danke für deinen Anruf, Vic.«
    »Nicht so schnell, Phoebe. Mein Informant im Rathaus, der normalerweise Geld schluckt wie ein kaputter Automat, hat so viel Angst, daß er nicht mal den Namen des Projekts in den Mund nimmt. Und jetzt erklärst du mir ganz nebenbei, daß du dich mit den Leuten von Century getroffen hast. Vor zwei Tagen hast du noch gesagt, du kennst niemanden dort, mit dem du reden könntest. Da hat sich aber mächtig was geändert, findest du nicht auch? Ich hab' dich angerufen, um dir den Kopf zu waschen, weil du mich in eine heiße Sache reingeritten hast, aber jetzt machst du mich wirklich neugierig.«
    Phoebe lachte. »Du bist schon zu lange Privatdetektivin, Vic: Dir kommt eben alles verdächtig vor. Camilla hat mich gegen Mittag angerufen und mir gesagt, daß sie mit einem neuen Partner ein anderes Projekt ausarbeitet. Ich habe den ganzen Nachmittag zu tun gehabt, deswegen habe ich dich noch nicht angerufen. Das ist keine große Sache.«
    Ich attackierte meinen gepunkteten Kreis mit einer Reihe scharfer Linien. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht war ich einfach nur deprimiert über all die gräßlichen Sachen um mich herum - die materiellen wie die psychischen. Das verrottende Pulteney-Gebäude machte sich in meinem Gehirn breit, ließ mich ausdörren und versauern. »Okay, Phoebe. Ich treffe Camilla am Sonntag. Dann kann sie mir ja alles erzählen.« »Das wird sie sicher mit Freuden tun.« Wir legten auf, aber Phoebe hatte einen Augenblick zu lange geschwiegen, bevor sie das Gespräch beendete. Ich konnte fast hören, wie es in ihrem Gehirn ratterte. Sie würde mit Conrads Schwester sprechen, damit sie mir dieselbe Geschichte erzählte wie Phoebe.
    Ich tippte den ersten Eintrag in die Akte Lamia: »Cyrus hat Angst, und Phoebe lügt.«

Alte Collegebande
    Camilla war nicht an ihrem Arbeitsplatz. In dem kleinen Bauunternehmen, für das sie als Bauschreinerin tätig war, hieß es, es habe an dem Tag nichts für sie zu tun gegeben. Auch zu Hause erreichte ich sie nicht. Ich hinterließ ihr sowohl bei ihrem Chef als auch auf ihrem Anrufbeantworter dringende Nachrichten.
    Ich hatte vor der Beiratssitzung von Arcadia am Montagabend noch nie etwas von Home Free gehört, aber plötzlich wimmelte es von Hinweisen darauf wie im Lincoln Park von Löwenzahn. Merkwürdig, daß ausgerechnet Jasper Heccomb Home Free leitete. Ich war mal verliebt in ihn gewesen, als wir noch studierten, denn er hatte Klasse, und er war mit den coolsten Typen auf dem ganzen Campus zusammen. Einmal hatte er mich nach einem Treffen zu einer Tasse Kaffee in der Swift Hall eingeladen. Ich war im siebten Himmel, bis mir jemand erzählte, daß er mich nur benutzt hatte: Er hatte seine Freundin mit mir eifersüchtig machen wollen. Sie hatte mit einem anderen Typ an einem Ecktisch gesessen; aber das wußte ich nicht, bis meine Zimmergenossin mich darauf hinwies.
    Danach hatte mich Jasper ziemlich links liegengelassen; ich durfte nur hin und wieder Briefe für ihn tippen und in Umschläge stecken. Ich hatte immer gedacht, daß er ein zweiter Jerry Rubin werden würde, ein Yippie, der sich allmählich in einen Yuppie verwandelte. Jedenfalls hatte ich nicht erwartet, daß er sich mit einer kleinen Anwaltskanzlei zufriedengeben würde.
    Während ich noch überlegte, ob er sich überhaupt an mich erinnern würde, schlug ich die Nummer von Home Free im Telefonbuch nach. Das Büro befand sich in der Edgewater Avenue, circa eineinhalb Kilometer nördlich von Lottys Klinik. Ich nahm den Hörer in die Hand und legte ihn wieder auf die Gabel, ohne gewählt zu haben. Wenn ich einfach so anrief, um Heccomb aus heiterem Himmel über Lamia auszuquetschen, verdarb ich den Frauen damit vielleicht ein gutes Geschäft. »Erinnerst du dich noch an mich?« konnte ich sagen. »Ich

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