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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Überraschung: Kevin Whiting hatte angerufen. Ich erreichte ihn gerade noch im Büro, bevor er weggehen wollte. Einer der Streifenpolizisten im Loop hatte eine Familie gesehen, auf die meine Beschreibung paßte und die vor dem Coffee-Shop an der Ecke bettelte. Als er sie ansprechen wollte, waren sie im Pulteney verschwunden. Er war ihnen nach drinnen gefolgt, hatte sie aber nicht mehr finden können - wahrscheinlich waren sie die Treppe hinauf. Er war bis in den ersten Stock gegangen, hatte dann aber beschlossen, daß er das Haus nicht allein durchsuchen konnte.
    »Du sagst uns Bescheid, wenn du sie siehst, ja, Vic? Wir können nicht zulassen, daß eine Familie einfach in einem Abbruchhaus lebt.«
    »Gut, Kevin, danke.« Solange er nicht rüberkommen und die Familie selber aufspüren mußte, spielte er gern den besorgten, pflichtbewußten Bullen am Telefon. Ich überlegte, ob ich das Gebäude selbst von oben bis unten durchsuchen sollte. Aber um ehrlich zu sein, war meine Begeisterung darüber auch nicht größer als die von Kevin. Ich hinterließ Lotty eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter und teilte ihr mit, daß Tamar und die Kinder wieder aufgetaucht waren, dann schaltete ich meinen Computer an und ging die unerledigten Fälle durch. Ich hatte eine nette kleine Datenbank, in der ich die Entwicklung der Fälle eintrug und den Abschluß mit der Bemerkung »abgeschlossen« und dem Datum markierte. Doch in der letzten Zeit hatte ich das leider zu selten eingeben können.
    Ich ging in die Datei von Lamia, Camillas Frauengruppe. Die Anzahl der erledigten Aufgaben war ziemlich gering: Ich hatte bei Lexis die Direktoren der Century Bank abgerufen, und ich hatte mich mit Cyrus Lavalle vom Rathaus unterhalten. Jetzt rief ich Cyrus in seinem Büro an. Als er sich meldete, sprach ich in rauh flüsterndem Tonfall.
    »Hast du schon was über das Lamia-Projekt rausgefunden?«
    »Wer spricht da?« wollte er wissen. »Was wollen Sie?«
    »Ich kann dir meinen Namen nicht am Telefon sagen, sonst bekommst du Schwierigkeiten. Deine Bosse könnten rauskriegen, daß du Bildchen von deinen Lieblingspräsidenten gesammelt hast, ohne sie mit ihnen zu teilen, und du weißt, daß sie das nicht mögen.«
    »Sagen Sie mir sofort Ihren Namen, sonst benachrichtige ich die Sicherheitskräfte.« »Und was willst du denen sagen?« fragte ich mit normaler Stimme. »Daß ich dein Gehalt ein bißchen aufbessere?«
    »Ach, du bist's, Warshawski. So lustig finde ich das auch wieder nicht.«
    »Dann bleibe ich also lieber bei der Schnüffelei und gehe nicht in die Talkshow von David Lettermann. Hast du was Interessantes über Lamia gehört?«
    »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    Ich schaute den Tauben draußen auf meinem Fensterbrett zu. Die eine suchte gerade auf ihrem Rücken nach Läusen. Die anderen saßen frierend und nicht sonderlich glücklich herum. Cyrus hatte offenbar Angst, daß jemand lauschte. »Wann bist du allein? Dann rufe ich dich noch mal an.« »Ich bin dann nicht mehr da.« »Cyrus, was ist los?«
    »Du stellst Fragen, die die Leute nicht beantworten wollen«, zischte er. »Das ist los.« Ich konnte mir vorstellen, wie er zusammengekauert an seinem Schreibtisch saß wie die Tauben draußen, als könne er sich so nicht nur unhörbar, sondern auch unsichtbar machen. »Dann hast du mein Geld gestern also unter völlig falschen Voraussetzungen genommen. Jemand hat dir mehr als ich geboten, damit du den Mund hältst. Ich habe keine Lust, deine Gedanken zu ersteigern, Cyrus.«
    »Ich gebe dir dein Geld wieder zurück. So dringend brauche ich es nicht.« Er legte auf, bevor ich noch etwas sagen konnte.
    Na großartig. Das Lamia-Projekt war also zu heiß, als daß man sich hätte dranwagen können. Ich hatte doch gleich am Dienstag, als Phoebe das erstemal darüber sprach, gewußt, daß ich mir nur Ärger einhandeln würde. Ich tippte ihre Nummer so heftig ein, daß mir der Zeigefinger weh tat.
    Als ihre Sekretärin mir freundlich mitteilte, Phoebe sei in einer Sitzung, bestand ich darauf, daß sie sie herausholte. Ja, es sei ein Notfall. Ich buchstabierte ihr meinen Familiennamen wie jedesmal wieder, wenn ich mit Gemma redete.
    Phoebe kam ziemlich wütend ans Telefon. »Was ist denn los, Vic? Du hast mich aus einer wichtigen Besprechung geholt.«
    »Und ich hab' gedacht, die Sache mit Camilla und ihren Frauen ist wirklich wichtig«, meinte ich vorwurfsvoll.
    Phoebe schwieg eine ganze Weile. »Ach so, darum geht's.« Ihre Lockerheit

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