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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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hab' mich immer beim C-Shop rumgedrückt, in der Hoffnung, daß ich dich da zufällig treffe. Ich war eine von den vielen Frauen, die die Routinearbeit für die Friedensbewegung erledigt haben, während ihr Männer in die Schlagzeilen gekommen seid. Dafür hofften wir mal eine Nacht mit euch verbringen zu dürfen. Und jetzt würde ich gern wissen, wie du zum Retter von Lamia geworden bist.«
    Natürlich konnte ich mich erkundigen, ob er keine Unterkunft für Tamar Hawkings wußte. Ich nahm den Hörer noch einmal in die Hand und wählte. Es meldete sich eine Frauenstimme. Natürlich.
    »Warum wollen Sie mit ihm reden?« fragte sie mich unwirsch wie jemanden, den man sofort abwürgen mußte.
    »Weil ich ihm ein paar Fragen über Obdachlosenunterkünfte stellen möchte.« »Wir vermitteln nicht. Rufen Sie doch bei der Stadt an.«
    »Trotzdem würde ich mich gern mit Jasper unterhalten. Möglicherweise könnte er mir einige Fragen beantworten.«
    »Sind Sie von der Zeitung?« wollte sie wissen.
    Allmählich wurde ich sauer. »Machen Sie sich strafbar, wenn Sie Nachrichten annehmen in Ihrem Büro? Jasper und ich kennen uns aus der Studienzeit - es könnte durchaus sein, daß er sich mit mir unterhalten möchte.«
    Wie viele angriffslustige Menschen entschuldigte auch sie sich, als ich sie meinerseits angriff. »Bei uns rufen einfach zu viele Leute an, die eine Unterkunft suchen oder einen Bericht über uns schreiben wollen. Er muß aufpassen, daß er nicht zu viele Anrufe entgegennimmt, weil er sonst überhaupt nicht mehr zum Arbeiten kommt.« »Tja, dann versuchen Sie's mal. Ich bleibe dran, während Sie fragen.« »Er ist nicht da. Kann ich ihm was ausrichten?«
    »Na, sehen Sie. Warum haben wir nicht gleich vernünftig miteinander geredet?« Ich buchstabierte ihr meinen Namen und fragte mich gleichzeitig, ob sie sich die Mühe machen würde, ihm von meinem Anruf zu erzählen.
    Da er nicht zurückrief, schaute ich am Morgen noch schnell in der Edgewater Avenue vorbei, bevor ich in die Innenstadt fuhr. Ich nahm mir fest vor, nichts zu sagen, was Camillas Projekt schaden könnte. Ich wollte lediglich herausfinden, wie Home Free arbeitete, sehen, ob an der ganzen Sache nicht doch ein Haken war. Das Büro war zwischen einem koreanischen Kuriositätenladen und einer arabischen Bäckerei untergebracht. Ein altmodischer Lieferwagen, wie er früher zum Ausfahren von Brot verwendet worden war, nahm den größten Teil der Parkplätze vor dem Haus weg. Wahrscheinlich gehörte der Wagen der Bäckerei. Warum konnten die ihn nicht um die Ecke abstellen? So mußte ich meinen geliebten Trans Am also in der Nähe der Leland Avenue abstellen, wo ihn die Teenager in meiner Abwesenheit vielleicht auseinandernahmen.
    Es war kalt, wie es Anfang April nun mal sein kann. Da ich nur einen Wollblazer über meiner Jeans trug, fröstelte mich, als ich an dem Kuriositätenladen vorbeitrottete. Home Free gab der Öffentlichkeit keinen Hinweis auf seine Existenz. Kein Name stand über der unauffälligen Schablonenschrift, in der die Hausnummer auf die Tür gepinselt war. Die Jalousien hinter den Fenstern wehrten neugierige Passantenblicke ab und verdeckten die weißen Plastikabdeckungen des Alarmsystems fast völlig. Ich schaute auf meinem Zettel nach, ob die Nummer stimmte, und drückte die Tür auf. Eine ungefähr dreißigjährige Frau saß an einem Schreibtisch gleich beim Eingang und tippte etwas in einen Computer. Sie war über die Tastatur gebeugt wie ein Bogen, und ihr formloses Kleid hing an ihrem knochigen Körper wie ein Sack. Die goldbraunen Haare standen ihr vom Kopf ab wie Wellblech. Als sie mit gerunzelter Stirn hochblickte, sah ich die beiden winzigen Zöpfe an beiden Seiten des Kopfes, ein Tribut an die gängige Mode, die fast unter den dichten Haaren verschwanden. »Was wollen Sie?«
    Das war dieselbe unwirsche Stimme, die mich am Telefon begrüßt hatte. »Mein Name ist V. I. Warshawski. Ich habe gestern angerufen. Ich würde mich gern mit Jasper unterhalten.«
    »Sie haben keinen Termin. Er hat sehr viel zu tun.« Ihre fahle Haut wurde einen Ton dunkler, als sie errötete.
    Der Raum war winzig, kaum groß genug für ihren Schreibtisch und ein paar Aktenschränke. Der Drucker war zwischen die Fenster gezwängt. Ich suchte nach einem zweiten Stuhl, konnte aber keinen entdecken. Die Tür zwischen den Aktenschränken an der hinteren Wand führte vermutlich zu Jaspers Raum. Ich überlegte kurz, ob ich mir gewaltsam Zutritt verschaffen

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