Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
Home Free Feuer unterm Hintern machen.
    Doch am Samstagmorgen wurden meine Überlegungen unversehens in eine andere Richtung gedrängt. Als ich mit einem ganzen Stapel Kartons in mein Büro ging, um meine Siebensachen zusammenzupacken und alles nach Hause zu transportieren, bot sich mir ein häßlicher Anblick: Deirdre Messenger saß, den Oberkörper auf meinem Schreibtisch, auf meinem Stuhl. Einen Augenblick lang war ich zornig, weil ich dachte, sie hätte sich sinnlos betrunken und dann das Bewußtsein verloren. Doch dann merkte ich, daß sie tot war, mausetot. Jemand hatte sie zu Tode geprügelt, rund um ihren Kopf waren Blut und Reste ihres Gehirns geronnen. Graue Kleckse tanzten vor meinen Augen, Lichtblitze durchzuckten die Ränder meiner Netzhaut. Plötzlich lag ich auf dem Boden, die linke Hand in einer klebrigen Masse. Ich schaffte es gerade noch, einen der Kartons vor mich zu ha lten, bevor ich kotzen mußte.
    Mit meinem Frühstück verloren sich auch die Nebelschwaden in meinem Gehirn. Während ich versuchte, meine linke Hand so weit wie möglich vom Körper wegzuhalten, rappelte ich mich hoch. Ich drückte mich rückwärts aus dem Raum und rannte die drei Treppen zur Damentoilette hoch. Wie durch ein Wunder gab es tatsächlich einmal Wasser, wenn auch nur kaltes. Das Stück Seife, das ich erst vor drei Tagen hingelegt hatte, war verschwunden, genauso wie die Papierhandtücher. Ich hielt meine Hand unters Wasser, bis meine Finger ganz rot und geschwollen waren vor Kälte. Die letzten Spuren von Blut und Gehirn waren da schon längst in dem verrosteten Ausguß verschwunden. Ich trocknete mir die Finger an meiner Jeans ab. In der Toilette stank es nach Faulschlammgas und Urin. Wieder mußte ich würgen. Ich hielt den Atem an, bis ich ein offenes Büro auf der anderen Seite des Flurs fand, wo ich versuchte, das Fenster hochzudrücken. Da aber der Rahmen so oft gestrichen war, daß es nicht aufging, schlug ich mit einem Schuh so lange dagegen, bis das Glas brach. Dann sog ich die kalte Aprilluft ein, dankbar sogar noch für den rußigen Gestank der Hochbahnkabel.
    In dem leeren Raum mit den rissigen Wänden und freiliegenden Kabeln konnte ich endlich wieder klar denken. Ich mußte die Polizei rufen, und zwar bald. Meine Kotzerei würde ihre Arbeit nicht unverhältnismäßig verzögern, aber je schneller sie anfangen konnten, desto besser. Das Blut, in dem ich gelandet war, war kalt gewesen, mit einer dicken Kruste, aber nicht hart. Deirdre war also schon länger tot, ich hatte ihren Mörder nicht überrascht.
    Mich fröstelte bei dem Gedanken, daß der Mörder sich vielleicht noch in der Nähe a ufhielt, denn meine Smith & Wes son lag daheim in der Schublade - schließlich bin ich nicht Philip Marlow, der ständig die Waffe aus dem Schulterholster oder dem Handschuhfach zieht. Wahrscheinlich fiel Marlowe auch nicht in Ohnmacht, wenn er den zertrümmerten Schädel einer Toten sah.
    Die Tür zu meinem Büro war verschlossen gewesen. Deirdres Mörder hatte also meinen Ersatzschlüssel. Er konnte jeden Augenblick zurückkommen, aber ich machte ihm einen Strich durch die Rechnung - denn ich brachte meine Sachen heim. Vielleicht kannte der Mörder mich ja gar nicht und hatte geglaubt, er bringe mich um, nicht Deirdre. Aber mir fiel eigentlich niemand ein, der in letzter Zeit einen solchen Zorn auf mich haben mußte, daß er mir gleich den Kopf einschlagen wollte.
    Noch am ehesten konnte ich mir vorstellen, daß jemand von der Straße reingekommen war, weil er glaubte, Drogen oder Geld zu finden. Die Brutalität des Angriffs schien mir eher auf Zorn als auf Planung hinzuweisen. Aber warum hatte der Mörder sich die Mühe gemacht, Deirdre meinen Schlüssel aus der Tasche zu nehmen und abzuschließen? Dieses rationale Vorgehen wollte nicht so recht zu der Heftigkeit passen, mit der sich jemand auf Deirdre gestürzt hatte. Und warum hatte er meinen Computer nicht mitgenommen? Dafür hätte er sich doch ein bißchen Koks kaufen können. Vielleicht hatte Deirdre ein dickes Bündel Scheine dabeigehabt. Für Leute von der Straße waren Banknoten immer besser als Naturalien. Aber wenn sie ihm einen Hunderter gegeben hatte, warum war er dann so wütend, daß er ihr den Kopf einschlug?
    Tamar Hawkings war in dem Gebäude gewesen, und Deirdre hatte nach ihr gesucht. Vielleicht war es Tamar nicht recht gewesen, daß Deirdre sich einmischte. Konnte ein so zierlicher Mensch wie Tamar so kräftig zuschlagen? Um die Kinder zu

Weitere Kostenlose Bücher