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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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abbrachen.
    Und, das hatte mir Camilla mehr als einmal erklärt, keine Frau wäre gut genug für Mamas Liebling. Die Tatsache, daß ich weiß war, gereichte mir zusätzlich zum Nachteil, aber offenbar hatte Mrs. Rawlings, die Tessa im Moment so augenscheinlich favorisierte, diese früher auch kaum weniger eisig begrüßt als mich jetzt. Camilla glaubte, daß Conrad noch immer bei seiner Mutter wohnen würde, wenn er nicht gleich nach der High-School nach Vietnam gemußt hätte. »Conrad kann einfach niemandem weh tun«, hatte sie mir einmal erklärt. »Mama hat immer zu weinen angefangen und über ihren Rücken geklagt, wenn er davon sprach auszuziehen; also blieb er bei ihr - es wären ja nur noch ein paar Wochen, bis es ihr wieder besser ginge. Aber natürlich kam es nie soweit. Das war ein Scheißjob in Vietnam, und Uncle Sam hat Conrad auch nicht besser behandelt als die anderen South-Side-Schwarzen, die die Army sich geholt hatte. Trotzdem glaube ich persönlich, daß Vietnam für Conrad so was wie ein Silberstreifen am Horizont war.«
    Diese Unterhaltung fiel mir wieder ein, als Mrs. Rawlings auf meine Begrüßung reagierte, indem sie die Hand ins Kreuz legte. »Danke, mir geht's gut, Vic. Man hat halt Schmerzen, wenn man alt wird. Ich hätte natürlich das Sofa nicht verschoben, wenn ich gewußt hätte, daß Conrad wirklich kommt, aber jetzt, wo er mit dir zusammen ist, ist seine Familie... «
    Ihr Sohn legte ihr den Arm um die Taille und führte sie sanft hinüber zum Sofa. Was er sagte, wurde vom Kreischen der Kinder übertönt, doch schon nach ein paar Minuten sah ich, daß sie tatsächlich lächelte: ein sanftes, leidendes Lächeln - als wolle sie sagen, sie amüsiere sich nur, um ihren Kindern das Fest nicht zu verderben -, aber immerhin war es ein Lächeln.
    Mrs. Rawlings rief Tessa Reynolds zu sich aufs Sofa. Als Conrad ihr sein typisches ironisches Lächeln schenkte und sie umarmte, empfand ich doch tatsächlich so etwas wie Eifersucht. Seit meiner Scheidung habe ich mich auf eine ganze Reihe von Affären - oder Beziehungen, nennen Sie es, wie Sie wollen - eingelassen, aber nie war ich auf die Verflossenen meiner Partner oder Liebhaber eifersüchtig gewesen. Das Gefühl überraschte mich so sehr, daß ich Conrad und Tessa wortlos anstarrte und versuchte, mir darüber klarzuwerden, warum. Plötzlich merkte ich, daß Elaine mich mit süffisantem Grinsen beobachtete. Ich warf ihr einen Kuß zu und gesellte mich zu der Gruppe um Camilla. Die dritte Schwester, Clarissa, umarmte mich und rückte ein wenig, um mir Platz zu machen. Phoebe Quirk, die mit ihrer weiten Jeans und einer bestickten Bauernbluse wie sechzehn aussah, erklärte gerade zwei Frauen aus der Lamia-Gruppe die finanziellen Einzelheiten des Sanierungsprojekts. Sie betrachtete mich mißtrauisch, fuhr jedoch mit ihren Ausführungen fort, bis Jasmine sich mit einem Plumps bei uns niederließ, um uns zu sagen, was es zu essen gab.
    »Vic hat Spaghetti mitgebracht«, teilte Jasmine uns mit. »Die kurzen runden, die ausschauen wie Bonbons.«
    »Tortellini, bellissima«, sagte ich und zog an einem ihrer Zöpfe.
    »Das heißt >Hübsche<«, erklärte Jasmine Camilla. »Ich kann doch gut Italienisch, gell, Vic?« »Molto bene, cara«, bestätigte ich.
    »Grazie, Victoria«, flötete Jasmine zurück und rannte dann wieder zu ihrer Mutter hinüber.
    Ich wandte mich an Phoebe. »Du wolltest gerade erklären, wie die Finanzierung des Sanierungsprojekts laufen soll. Home Free muß das Geld auftreiben für Lamia? Oder haben sie es schon?«
    Phoebe hob die sandfarbenen Augenbrauen warnend. »Century Bank, Vic. Die haben ein schlechtes Gewissen, weil sie das ursprüngliche Projekt nicht finanzieren können, also arrangieren sie eine Zwischenfinanzierung.«
    »Soso - eine humane Bank also. Wer unterschreibt? Du? Lamia? Home Free?« »Wir verteilen das Risiko, aber Home Free hat einen guten Ruf als Financier. Ich glaube nicht, daß wir uns da übernehmen.« Sie verzog wütend den Mund, als die anderen Frauen - eine Bauschreinerin namens Agatha und eine Anstreicherin, deren Namen ich nicht kannte - ein besorgtes Gesicht machten. »Warum versuchst du, uns alle zu beunruhigen, Vic?« wollte Phoebe wissen.
    »Knapp zwei Tage nachdem du mir erzählst, daß die Baubehörde die Genehmigung verweigert, kriegst du plötzlich dieses Sanierungsprojekt. Den Teil der Geschichte verstehe ich nicht.«
    »Mein Gott, bist du argwöhnisch. Die Frau ist so argwöhnisch, daß sie

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