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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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nicht mal bei einer Party entspannt sein kann!« sagte Camilla aufgebracht. »Ich bekomme das tollste Geburtstagsgeschenk, das man sich nur denken kann, mit einer wunderschönen Schleife, und Vic möchte, daß ich es zurückschicke, weil sie die Inhaltsstoffe auf der Packung nicht lesen kann.«
    Clarissa, die als Buchhalterin arbeitete, meinte ziemlich barsch zu ihrer Schwester: »Wenn es Probleme bei der Finanzierung gibt, solltest du das herausfinden, Camilla. Sonst wirst du ausgequetscht wie eine Zitrone, wenn das Projekt halb fertig ist. Weißt du, wenn du fünfzigtausend für dein Material veranschlagst und plötzlich die Kredite gesperrt werden, mußt du nicht nur Bankrott anmelden, sondern auch dein Name ist in der Stadt nichts mehr wert.«
    »Meine Anwälte - die Anwälte von Capital Concerns - sorgen schon dafür, daß das nicht passiert«, meinte Phoebe.
    »Du kannst alle möglichen Garantien in den Vertrag aufnehmen, aber trotzdem verbringst du Monate vor Gericht, wenn was schiefgeht«, sagte Agatha, die Bauschreinerin. »Wenn Vic meint, daß es Probleme geben könnte, will ich das wissen.« »Es geht einfach viel zu schnell, das ist alles«, meinte ich. »Am Dienstag war Lamia noch gestorben, und zwar aus politisch so brisanten Gründen, daß sogar meine übliche Quelle im Rathaus nicht reden wollte. War das wirklich bloß ein Zufall, daß Home Free euch dieses Sanierungsprojekt angeboten hat, vierundzwanzig Stunden nachdem ich angefangen habe, Fragen zu stellen?«
    »Vielleicht überschätzt du einfach die Bedeutung deiner Fragen«, mischte sich Phoebe ein. »Weißt du, es gibt tatsächlich so etwas wie Zufälle. Laß die Finger von der Sache, Vic. Dieses Projekt ist zu wichtig - nicht nur für die sechs Lamia-Frauen, sondern für alle anderen Geschäftsfrauen in Chicago. Wenn die Sache klappt, öffnen wir viele Türen für die Frauen im Handwerk. Dann kriegen sie Aufträge, die sie unter den gegebenen Umständen nie bekommen würden.«
    Sie hatte recht. Wieso mußte ich mich einmischen? Der Mord an Deirdre, Darraughs Sohn, das Chaos in meinem Büro, der immer näher rückende Abgabetermin für die Einkommensteuererklärung - all das war genug, um mich eine ganze Zeit zu beschäftigen. Also hob ich die rechte Hand zum Pfadfinderinnenschwur und versprach, die Nase nicht mehr in Lamias Angelegenheiten zu stecken.
    Jasmine brachte Camillas Geschenke herüber, und ich gab mich der Aufregung hin, die immer mit dem Auspacken von Geschenken verbunden ist, unterhielt mich mit Tessa über ihren letzten Auftrag und tanzte mit Jasmine in einer Ecke des Flurs. Um halb sechs fragte Conrad, ob wir gehen könnten. »Ich will dich rechtzeitig heimbringen, damit ich mich nicht abhetzen muß zum Dienst.« Als wir uns verabschiedeten, war Mrs. Rawlings zu Tode betrübt. Conrad konnte sie nicht davon überzeugen, daß ich ihn nicht von ihr wegzerrte, um sie zu verletzen.

Unterredung mit der Polizei
    Nachdem Conrad mich an der Haustür abgesetzt hatte, gelang es mir hineinzuschlüpfen und die Treppe hinaufzuschleichen, ohne daß mein Nachbar oder die Hunde es bemerkten. Ich hatte die Hunde am Morgen ausgeführt, also konnte ich sie jetzt am Abend ohne schlechtes Gewissen allein lassen.
    Ich holte die Flasche Black Label aus meiner kleinen Bar und schenkte mir einen Drink ein. Mein hektisches Leben erzeugte ein gewisses Bedürfnis nach Sicherheit; also holte ich eins der roten venezianischen Gläser heraus, die ich noch von meiner Mutter hatte und für besondere Gelegenheiten aufhob, und versuchte, ihre feurige Wärme im gebrochenen roten Licht des Glases zu erspüren.
    Conrad und ich hatten versucht, das Gespräch auf der Fahrt nach Norden nicht allzu ernst werden zu lassen. Erst nachdem er mir einen Gutenachtkuß gegeben hatte, warnte er mich, Fabians Drohung auf die leichte Schulter zu nehmen.
    »Es wäre wirklich blöd, wenn sie dich verhaften würden, nur weil du glaubst, seine Kinder vor ihm schützen zu müssen.«
    »Das Mädchen muß beschützt werden, Conrad. Und - damit du nicht meinst, ich mache alles immer nur hinter deinem Rücken - ich werde Terry bitten, daß er sich drum kümmert.«
    Conrad spielte mit meinen Fingern. »Ich hab' schon gewußt, warum ich Angst habe vor dem Fall. Ich meine, nicht wegen des Mordes an Deirdre, sondern wegen der Dinge, die zwischen uns passieren, wenn du wieder in polizeiliche Ermittlungen verwickelt wirst. Du kannst schrecklich eigensinnig sein, wenn du meinst, du bist im Recht.

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