Engel im Schacht
Kompromisse sind nicht gerade deine starke Seite, und deswegen ist es manchmal schwer, mit dir zusammen zu sein.«
Ich wurde rot, als ich jetzt im Wohnzimmer saß und mir seine Worte wieder einfielen. Aber wie sollte der Kompromiß aussehen, von dem er gesprochen hatte? Ich hatte mich bereits im Fall Lamia auf einen Kompromiß eingelassen. Sollte ich mich jetzt auch noch bei Emily zurückhalten? Das konnte ich nicht.
Ich schaute in das rubinrote Glas wie in die feurig dunklen .Augen meiner Mutter. Gabriella war wie ein wilder Vogel gewesen, der aus Verwirrung Zuflucht vor den Stürmen der Welt in einem Käfig gesucht hatte. Doch dann war er darin so heftig herumgeflattert, daß er sich die Flügel an den Gittern gebrochen hatte. Wenn Kompromisse so aussahen, würde ich mich nicht drauf einlassen. Das rote Glas schenkte mir keinen Trost, sondern wühlte mich innerlich auf. Ich goß den Whisky in einen Tumbler und wählte Terry Finchleys Nummer. Die Unterhaltung verlief nicht gerade herzlich, aber wir kriegten uns auch nicht in die Haare. Terry entschuldigte sich sogar dafür, daß er mir das, was er zu sagen hatte, über Conrad hatte ausrichten lassen.
»Ob du's glaubst oder nicht - ich wollte dich nicht beleidigen. Ich habe bloß gedacht, daß du auf ihn vielleicht hörst.«
»Na dann will ich dir mal glauben.« Ich entschuldigte mich meinerseits dafür, daß Finchley wegen meines Gesprächs mit Fabian Sc hwierigkeiten bekommen hatte.
»Wahrscheinlich muß ich mich sogar bei dir bedanken«, meinte er bissig. »Ohne dich hätte ich vermutlich nie Gelegenheit zu einem Gespräch unter vier Augen mit dem stellvertretenden Polizeipräsidenten bekommen.« »Darf ich neugierig sein: Wen hat Messenger eigentlich angerufen?« »Oh, er ist gleich zum Staatsanwalt. Und wenn's um Fabian Messenger geht, den ein Senator unterstützt, auch wenn's ein Republikaner ist, spricht Clive Landseer natürlich höchstpersönlich mit ihm. Offenbar hat er Fabian gesagt, er könnte einen Unterlassungstitel gegen dich erwirken, Warshawski. Dann hat Landseer Kajmowicz angerufen, um sicherzugehen, daß ich da keine wichtige Bürgerin belästige.« Finchley lachte bitter. »Als ich mich heute morgen mit Messenger unterhalten habe, hatte er sich schon ein bißchen beruhigt, aber wir haben fast auf den Knien vor ihm rumrutschen müssen, damit wir mit seiner Tochter reden durften. Die Befragung hat Neely gemacht. Das Mädchen war ziemlich daneben. War ungefähr so lebhaft wie ein Roboter und hat jedesmal, wenn Neely nach dem Vater gefragt hat, bloß >ja< gesagt.« »Sie hat schreckliche Angst vor ihm«, sagte ich. »Ich habe nie gesehen, daß er sie schlägt, aber ich hab' ihn fast dabei überrascht, wie er Deirdre geohrfeigt hat. Seine Tochter war dabei. Wer weiß, wie oft das schon passiert ist? Er muß Emily gar nicht schlagen, die hat so schon Angst genug, daß er sie genauso behandelt wie ihre Mutter. Außerdem habe ich miterlebt, wie er sie psychisch unter Druck setzt. Genau wie seine Frau. Deswegen will ich sichergehen, daß er Emily nicht gezwungen hat, ihm ein Alibi zu verschaffen.«
»Sei vorsichtig, Vic«, meinte er, genau wie Conrad. »Wenn du dem Kind zu nahe kommst und er will, daß wir dich festnehmen, müssen wir das tun.« »Mein Gott, Terry! Jetzt spiel mal nicht den harten Bullen. Wenn ich schon die Finger von Emily lassen soll, muß ich wenigstens sicher sein, daß die Polizei auf sie aufpaßt.« Er schwieg. »Ich nehme sie mir am Montag in der Schule vor. Obwohl ich nicht glaube, daß sie was sagen wird.«
»Wie soll sie wissen, daß Fabian am Freitagabend zu Hause war?« fragte ich und versuchte, so vernünftig und aggressionslos wie möglich zu klingen. »Schließlich kann sie nicht die ganze Nacht wach geblieben sein. Ach ja, übrigens: Fabian hat gesagt, Deirdre hätte ihm einen Zettel geschrieben - einen unverschämten Zetteh, wie er sich ausdrückte -, in der Nacht, in der sie ermordet wurde. Sie hat ihm darauf mitgeteilt, daß sie in die Stadt geht. Hat er dir was davon erzählt?«
»Ein Zettel? Nein.« Finchley war überrascht. »Davon höre ich zum erstenmal. Ich frage mal Neely, aber ... Bist du dir da sicher, Vic?«
»Ja. Schließlich denke ich mir keine Geschichten aus, bloß damit die Polizei sich meine Mutmaßungen anhört.«
»Immer mit der Ruhe. Das habe ich nicht gesagt. Aber warum sollte Fabian dir so was sagen, mir aber nicht?«
Ich nahm einen Schluck von meinem Whisky. »Er weiß nicht, daß ich mit
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