Engel im Schacht
Geschäfte mit dem Staat. Außerdem ist er Republikaner und investiert wahrscheinlich eine ganze Menge Kohle in Alec Gantner. Wenn der Senator anruft und ihm sagt, er soll dafür sorgen, daß du den Mund hältst, oder einfach keine Geschäfte mehr mit dir machen, dann wird er das doch tun, oder?«
Bevor ich etwas darauf sagen konnte, tänzelte eine von Conrads Nichten den Weg herunter, um uns abzuholen. Sie machte die Beifahrertür auf und zerrte an meiner Hand.
»Komm, Vic. Tante Zu-Zu will ihre Geschenke erst aufmachen, wenn du auch da bist. Was hast du ihr mitgebracht?« Die sechsjährige Jasmine gehörte zu den erfreulichen Seiten, die Conrads Familienleben mir beschert hatte.
»Das ist eine Überraschung. Und wenn ich's dir sage, ist es keine Überraschung mehr.« Ich hatte in einem Laden eine Sterling-Silber-Brosche mit einer Säge und einem darüber gekreuzten Hammer entdeckt, die mir als passendes Geschenk für eine Handwerkerin erschienen war. Jetzt holte ich die kleine Schachtel aus meiner Tasche und gab sie Jasmine. Sie drückte daran herum und rasselte herunter, wer alles gekommen war, während ich den Tortellinisalat, meinen Beitrag zum Büffet, vom Rücksitz holte.
Jasmine versuchte zu erraten, was in dem Päckchen war, als sie mich den Weg zum Haus hinaufdirigierte. An der Tür fragte Conrad mich: »Aber wir verderben Zu-Zu wegen der Sache nicht ihren Geburtstag, ja?«
»Natürlich nicht, Conrad. Schließlich bin ich keine Primadonna, sondern ein Profi. Zwar ist es vergebliche Liebesmüh, euch davon zu überzeugen, aber ich gebe mich noch nicht geschlagen.«
Er grinste. »Ich hab' schon Angst gehabt, daß du tatsächlich aufgibst.«
Jasmine hatte genug vom Zögern der Erwachsenen und versuchte, ihren Onkel einfach ins Haus zu schieben. Wir lachten ein bißchen und wehrten uns nicht.
»Ich hab' sie geholt, Tante Zu-Zu. Machst du jetzt endlich deine Geschenke auf?
Mommy hat dir ein hübsches... «
»Jazzy«, quiekte ihre ältere Schwester, um sie zum Schweigen zu bringen. »Du verdirbst alles. Halt den Mund!«
Aber Jasmine, die Partys über alles liebt, ließ sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Sie übergab mein Geschenk Camilla, die vom Boden aufstand, um ihren Bruder und mich zu umarmen.
In dem Raum wimmelte es von Leuten. Der ganze Rawlings-Clan war anwesend, es fehlte lediglich Conrads jüngste Schwester Janice, die als Neurologin in Atlanta praktizierte. Dazu kamen alte Freunde der Familie, die Frauen, die zusammen mit Camilla versuchten, Lamia in die Gänge zu kriegen, und alle ihre Kinder. Auch Phoebe Quirk war als die Hauptgeldgeberin von Lamia mit dabei. Und Tessa Reynolds, eine Bildhauerin, mit der Conrad mehrere Jahre lang zusammengewesen war, hatte neben Camilla auf dem Boden gesessen.
Mrs. Rawlings stemmte sich ächzend von dem Sofa hoch, auf dem sie sich mit ihrer ältesten Tochter Elaine unterhalten hatte, und rieb sich den Rücken, um allen zu zeigen, welche Mühe es ihr bereitete, der Freundin ihres Sohnes die nötige Höflichkeit entgegenzubringen. Ich machte einen Bogen um die Leute auf dem Boden, um sie und Elaine zu begrüßen.
»Hallo, Baby«, sagte Mrs. Rawlings zu Conrad. »Du arbeitest zu viel in letzter Zeit. Wir sehen dich ja gar nicht mehr. Tessa ist da; ich weiß, daß du dich mit ihr unterhalten willst.«
»Vic ist auch da, Mama«, meinte Conrad mit sanfter Stimme.
»Das weiß ich; schließlich habe ich Augen im Kopf. Wie geht's, Vic?« Sie reichte mir die Hand so formell und distanziert wie die Queen.
Sie war eine gedrungene Frau Anfang Sechzig, ihr Mann war gestorben, als Conrad zwölf war; sie hatte fünf Kinder allein aufziehen müssen. Das war für alle kein Zuckerlecken gewesen, weil Mrs. Rawlings in einer Bäckerei arbeitete und ständig Überstunden machen mußte. Die älteren Kinder hatten Aushilfsjobs erledigt, als sie auf die High-School gingen. Nur Janice, das Nesthäkchen, war dank des Geldes, das ihre Geschwister mit harter Arbeit verdienten, in den Genuß einer College-Ausbildung gekommen, ein Luxus, der normalerweise nur in der Mittelschicht üblich war. Als einziger Junge hatte Conrad wohl oder übel die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen müssen. In dieser Eigenschaft hatte er während seiner ganzen High-School-Zeit zwanzig oder dreißig Stunden pro Woche gearbeitet. Trotzdem hatte er den Abschluß mit Auszeichnung geschafft - so daß er wenig Mitleid mit den heutigen Jugendlichen hatte, von denen so viele die Schule einfach
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