Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
für dich beten, Lorna«, versprach er mir.
Ich verabschiedete mich von ihm und wusste, ich würde das Klosterareal nie wieder betreten.
Der samstägliche Einkauf mit meiner Mutter zählte zu meinen Lieblingsunternehmungen. Denn dazu gehörte
immer ein Abstecher ins Herz der Dubliner Innenstadt, in die Moore Street zum Straßenmarkt mit seinen Ständen und den Marktfrauen, die lautstark mit breitem Dubliner Akzent ihre Waren anpriesen. Ich zog den Einkaufswagen hinter mir her, während meine Mutter nach dem besten Obst und Gemüse Ausschau hielt.
An solch einem Samstag, wir bogen eben in die Moore Street ein, nahm ein Engel mich bei der Schulter und flüsterte mir ins Ohr: »Lass deine Mutter ein Stückchen vorausgehen, sie wird’s gar nicht merken.« Ich tat zwei Schritte zurück und ließ Mam weiterlaufen, die immer noch ganz auf das Obst- und Gemüseangebot konzentriert war. Ich blieb stehen und blickte die Moore Street hinunter, als sich die Szenerie plötzlich veränderte: Mit einem Mal glich die Straße einem goldenen Palast und überhaupt alles erstrahlte in Gold, sogar die Menschen. Dann wechselten die Farben und andere Töne erschienen, lebhafte leuchtende Farben, viel lebhafter und leuchtender als gewöhnlich. Diese Farben gingen vom Obst und von dem Gemüse aus, sie flossen heraus wie Wellen voller Energie. Dann wurden die Wellen plötzlich zu Farbbällen und hüpften die Straße entlang, von einer Seite zur anderen, prallten an die Marktstände und sogar an die Leute; doch niemand schien Notiz davon zu nehmen.
Die Straße selbst war nicht nur voller Menschen, sondern auch voller Engel – viel mehr als sonst. Einige Engel waren nach Art der Marktfrauen gekleidet und damit beschäftigt, ihnen bei der Arbeit zu helfen. Ich amüsierte mich königlich dabei, die Engel zu beobachten, wie sie jede Bewegung der Standfrauen nachahmten – Engel sind einfach begnadete Imitatoren! Dazu sangen sie auch noch – oder besser: Sie summten im Rhythmus des Marktgeschehens um sich herum.
Ich war zuvor schon oft in der Moore Street gewesen, doch so etwas hatte es noch nie gegeben! Vielleicht war es eine Sondervorführung speziell für mich, um mich
zum Lachen zu bringen, vielleicht machen sie das auch jeden Tag, und ich durfte zum ersten Mal dabei zusehen. Ich fand das ganze geschäftige Treiben ja so aufregend!
Meine Mutter war schon drei Stände weiter als ich und wurde plötzlich gewahr, dass sie mich nicht mehr neben sich hatte.
»Lorna, wach auf und komm her mit dem Einkaufswagen. «
Ich dachte, jetzt wird sich gleich alles wieder normalisieren – doch weit gefehlt! Denn während ich wieder bei meiner Mutter stand, flüsterten meine Engel mir ins Ohr: »Achte mal auf die Obsthändlerin!«
Als ich hinüberschaute, sah ich ihren Schutzengel direkt hinter ihr stehen. Eine Engelfrau, die ihr äußerlich bis aufs Haar glich, die Kleidung eingeschlossen, doch strahlte ein heller Lichtschein aus ihr. Sie hatte ein bezauberndes Lächeln und winkte mir zu. Meine Mutter wollte Äpfel, Birnen und Bananen kaufen. Als die Marktfrau das Obst in eine braune Papiertüte steckte, erregte ihr Schutzengel meine Aufmerksamkeit, weil sie ihr mit dem Finger drohte.
Ich begriff, dass die Verkäuferin meiner Mutter ein paar faulige Äpfel unterjubeln wollte. Ihr Engel sprach auf sie ein, doch sie hörte nicht darauf. Wieder hob die Engelfrau mahnend den Finger. Ich konnte nicht länger an mich halten und prustete los. Die Obstverkäuferin warf mir einen scharfen Blick zu, und ich konnte es ihren Augen ansehen: Sie wusste ganz genau, dass mir der Betrug nicht verborgen geblieben war. Plötzlich gab die Papiertüte nach und der Inhalt kollerte überall auf der Straße herum. Die Frau bückte sich danach und erwischte einen Apfel – einen der verfaulten! Das war natürlich kein Zufall, da hatten ihr Engel und meiner die Hände im Spiel – und ich musste noch mehr lachen.
Als Mam den verdorbenen Apfel sah, bemerkte sie: »Ich hoffe doch sehr, Sie wollen mir hier kein faules Obst andrehen.«
Die Verkäuferin wies das weit von sich, füllte eine neue Tüte mit frischen Früchten und schaute dabei schuldbewusst auf mich. Meine Mutter bezahlte und ich packte die Tüte in den Einkaufswagen. Als wir weitergehen wollten, rief sie uns in ihrem breiten Dubliner Irisch hinterher: »He Sie, Madam!« Meine Mutter wandte sich um und bekam eine weitere Tüte gereicht: »Hier, meine Dame! Noch’n bisschen Obst für Ihre Kleinen!« Die
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