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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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niedlichen Hasen wirklich aus dem Kochtopf in den Hut gezaubert hat? Und wo waren sie eigentlich, nachdem der Zauberer mit dem Kunststück fertig war? Mette beschließt, Lise zu fragen, die hat nämlich während der Vorführung in der ersten Reihe gesessen. Vielleicht hat sie etwas gesehen, was Mette entgangen ist.
    Und dann fallen ihr die glänzenden goldenen Würfel ein, die der Zauberer ganz am Anfang hatte. Erst waren es drei, dann fünf, dann zehn und zum Schluss so viele, dass Mette mit dem Zählen gar nicht nachgekommen ist. Die hat der Zauberer alle in seinen Hosentaschen verschwinden lassen, das weiß Mette noch sehr genau. Und jetzt ärgert sie sich darüber, dass sie nicht heimlich in die Hosentasche gegriffen hat, als sie neben dem Zauberer stand. Zu gern hätte sie einen dieser Würfel einmal angefasst.
    Aber Lise hat es getan, das hat Mette ganz genau gesehen. Sie hat dem Zauberer tief in die Hosentasche gegriffen und ganz große Augen gemacht. Vielleicht haben sich die Würfel in der Tasche ja noch weiter vermehrt.

Freitag, 24. Juli, 15.40 Uhr,
Weststrand, List
    Die Unwetterfront kommt von Norden und hat gerade das »Ellenbogen« genannte Naturschutzgebiet an der Lister Inselspitze erreicht. Der dunkle Himmel hängt tief über der Erde und scheint die Dünenkuppen berühren zu wollen. Das Gras seitlich der Straße duckt sich unter heftigen Böen, die von Minute zu Minute stärker werden. Bastian Kreuzer kann jeden einzelnen Windstoß am Ausschlag seines Lenkrades spüren, als er auf der ungeschützten Straße von Kampen nach List rast.
    Sven Winterberg, der mit Bastian im Wagen sitzt, zeigt auf die Zufahrt zu dem Parkplatz, an dem vor zwei Tagen das Mädchen verschwunden ist.
    »Hier musst du rein.«
    »Sieht aus wie auf einem Truppenübungsplatz«, brummt Bastian, als er seinen Wagen zwischen den zahlreichen Polizeieinsatzfahrzeugen zum Stehen bringt. Doch als die beiden Beamten das Auto verlassen, hallt anstelle von Geschützfeuer Hundegebell über die Landschaft.
    »Na, da wissen wir wenigstens gleich, in welche Richtung wir laufen müssen.«
    Kreuzer setzt sich in Bewegung und trabt den befestigten Weg zum Strand entlang, wird aber kurz darauf von seinem Sylter Kollegen zurückgerufen.
    »Warte, Bastian. Ich habe eine bessere Idee. Wir nehmen die Abkürzung quer durch die Dünen. Ein alter Pfad durchs Naturschutzgebiet.«
    »Ist doch immer wieder praktisch, wenn man einen Ortskundigen dabeihat.«
    Kreuzer kehrt um und folgt Winterberg auf einem Pfad, den er selbst zwischen den sturmgepeitschten Dünengräsern nie entdeckt hätte. Im Laufschritt eilen beide dem Bellen der Hunde entgegen. Je näher sie der aufgewühlten Nordsee kommen, desto hysterischer wird auch das Bellen.
    »Die haben was entdeckt. Klingt ganz nach Durchbruch. Was meinst du?«
    Kreuzer stößt die Worte im Rhythmus seiner trommelnden Schritte aus. Winterberg kann den Kollegen nur knapp verstehen, obwohl dieser dicht hinter ihm läuft, so schnell reißt der Sturm die Töne mit sich. Als beide um eine Dünenkuppe biegen, ahnen sie, dass sie ihrem Ziel sehr nahe sind. Doch auf das Bild, das sich ihnen bietet, sind sie nicht vorbereitet.
    Die Hundemeute steht kläffend mit bebenden Flanken und aufgestellten Ohren um eine kreisrunde Sandkuhle herum. Durch ein plötzliches Loch in der Wolkendecke fällt ein scharfer Sonnenstrahl auf die Szene und taucht Hunde, Polizisten und den mit Fußspuren übersäten Sand in ein bedrohlich kaltes Licht.
    Der Einsatzleiter, ein Kollege, der schon häufig mit Suchhunden gearbeitet hat, kann sich nur mühsam in dem tosenden Wind Gehör verschaffen. Lediglich einzelne Worte überstehen die Reise bis zu Kreuzer und Winterberg.
    »Vorsicht« ist so ein Wort, »Fußspuren« ein weiteres. Dann kommt ein ganzer Satz: »Sichern, und zwar dalli, es geht gleich los.«
    Ein Blick zum Himmel begleitet die Äußerung. Dort hat sich der Wolkenspalt soeben geschlossen und scheint damit einer Schleusenöffnung ganz anderer Art Vorschub geleistet zu haben. Die ersten schweren Tropfen klatschen auf den Sand. In hektischer Betriebsamkeit wird eine Plane über die Dünenkuhle gezogen. Immer wieder reißt der Sturm den Beamten das Material aus den Händen, so dass es knatternd zu Boden geht und tiefe Dellen in die Düne drückt. An die womöglich hochwichtigen Spuren, die dabei verlorengehen können, will Kreuzer lieber gar nicht denken. Tatkräftig hilft er einer zweiten Gruppe von Beamten, die begonnen haben, sechs

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