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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
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das Unaussprechliche auszusprechen. Es ist auch nicht nötig, denn Sven tut es an ihrer Stelle.
    »Jetzt hör mir gut zu. Ich habe nicht viel Zeit. Ein drittes Mädchen ist verschwunden. Gerade haben wir die Nachricht reinbekommen. Sie war nachmittags mit ihrer Tante in Kampen in der
Sturmhaube
. Danach wollten sie zurück zu ihrem Wagen. Der stand auf dem großen Parkplatz am Ende der Whiskystraße. Du weißt ja, was da zwischen fünf und sechs immer los ist. Sie haben sich also durchs Gewühl geschoben. Irgendwann hat die Tante die Kleine dann aus den Augen verloren. Und jetzt ist sie weg. Einfach nicht wieder-aufgetaucht.«
    »Weg …«
    »Anja?«
    »Ja, ich bin noch dran. Ich … war auch dort … auf dem Strönwai … vielleicht eine Viertelstunde später. Als ich nach Mette gesucht habe.«
    »Ich denke, sie ist zu Hause.«
    »Ja, jetzt schon, aber vorhin war sie eben weg und …«
    »Anja, pass gut auf unseren kleinen Engel auf, hörst du? Ich muss jetzt Schluss machen, hier wird gleich die Hölle los sein. Rechne heute Abend besser nicht mit mir. Aber lass Mette nicht mehr aus den Augen. Und schließ die Türen ab.«
    Sven unterbricht die Verbindung ohne einen Abschiedsgruß. Anja starrt ihr Telefon noch mehrere Sekunden lang an, als könne sie ihm weitere Informationen entlocken.
    »Mami? Was ist denn los?«
    Mette. Sie ist da. Sie sitzt am Küchentisch und macht ein fragendes Gesicht. Anja nimmt ihre Tochter in die Arme. Schon wieder kommen ihr die Tränen.
    »Nichts, mein Schatz. Nichts, was dir Kummer machen könnte. Aber weißt du, es sieht so aus, als ob ein drittes Mädchen verschwunden wäre. Papi hat es gerade erfahren.«
    »Ist es Lise?«
    »Lise? Lise aus dem Kindergarten? Wie kommst du denn darauf?«
    »Ich habe sie gesehen. In einem großen schwarzen Auto. Es war oben offen, und sie durfte vorn sitzen. Nach dem Kindergarten wollen doch alle immer vorn sitzen, wenn sie abgeholt werden. Und nie dürfen wir. Nur Lise jetzt. Ich war ein bisschen neidisch, weißt du. Darum habe ich genau hingeguckt. Der Mann neben Lise war jedenfalls nicht ihr Vater, den kenne ich nämlich. Vielleicht war es ein Onkel oder so. Jedenfalls haben Lises Eltern kein Cabrio, das hätte sie mir doch erzählt.«
    Wahlwiederholung. Angespannt presst Anja das Telefon ans Ohr. Jedes Läuten ist wie ein Hieb. Und die Hiebe hören und hören nicht auf. Sven nimmt den Anruf nicht an. Anja versucht es noch einmal. Vergeblich. Anja sieht auf die Uhr. Kurz vor acht. Sie zerrt Mette vom Stuhl herunter und quer durch die Küche ins Wohnzimmer.
    »Mami, du tust mir weh. Was ist denn los?«
    »Ich mache die Tagesschau an. Vielleicht bringen sie was über die Mädchen.«
    »Tagesschau? Darf ich mitgucken? Bitte, bitte!«
    »Ja, ja. Komm, setz dich her.«
    Der Bildschirm wird hell. Die Titelmelodie ertönt. Das Logo verschwindet, und die Ansagerin erscheint. Hinter ihr stehen schon die Bilder der drei Mädchen. Ganz links Ann-Kathrin, die Tochter der Badegäste aus Dortmund. In der Mitte Paula, die Arzttochter aus Hörnum. Und außen rechts Lise, Mettes Spielfreundin aus dem Kindergarten. Die Ähnlichkeit der drei Mädchen ist verblüffend. Blonde glatte Haare, runde wasserhelle Augen.
    »Mami, guck mal, was macht denn Lise im Fernsehen?«
    Mette stockt mitten in ihrer Frage. Der ganze Prozess des Begreifens ist an ihrem Gesicht abzulesen. Verwirrung, Ungläubigkeit, das Ausschließen aller anderen Erklärungsmöglichkeiten nach einem einzigen Blick auf die Mutter. Entsetzen.
    Anja greift nach Mettes Hand. Sie drückt sie fest, als wolle sie sie nie wieder loslassen. Und genau das nimmt sie sich auch vor. Nur langsam dringt die Stimme der Tagesschausprecherin in ihr Bewusstsein.
    »… ist bisher noch kein Fahndungserfolg in Sicht. Alle Benutzer der drei Parkplätze zu den fraglichen Zeiten werden dringend gebeten, sich unter dieser Telefonnummer zu melden, falls sie etwas Verdächtiges beobachtet haben sollten.«
    Die drei Mädchenfotos hinter dem dunklen Pagenkopf der Sprecherin verschwinden, und eine Nummer mit Sylter Vorwahl erscheint. Anja wendet sich ihrer Tochter zu.
    »Und du hast Lise in diesem Wagen gesehen? In einem Cabriolet, bist du sicher?«
    »Ja, natürlich. Sie hatte die Haare zu Zöpfen geflochten, so wie du es mir auch manchmal machst.«
    Anja nimmt Mette sehr fest in den Arm.
    »Bist du schon müde?«
    »Nein, gar nicht.«
    »Das ist gut. Denn weißt du, wir müssen jetzt zu Papi in die Dienststelle fahren, und dort

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