Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
sich seinem Fruchtsalat. Die Leiche am Schreibtisch. Da war etwas gewesen, das ihm bekannt vorgekommen war. Oder? Mit geschlossenen Lidern und einer Erdbeere im Mund holte er sich das Bild vor Augen. Vergeblich. Er musste sich die Bilder ansehen, nahm sein Handy und rief Lorenz an, bevor irgendwer im BVT entschied, dass keine fremde Abteilung Zugriff auf die Beweismittel haben durfte.
„Servus … Nein, beim Frühstücken … Du, Eiserts Sachen, was da am Schreibtisch gelegen ist, wo habt ihr die jetzt? … Okay … Kannst du mir die Bilder schicken … Macht Koller die Obduktion? … Dann rede ich mit ihm, danke …“
Wie nicht anders zu erwarten, war das Spektakel vom Vortag auch in Bergmanns Gruppe das bestimmende Gesprächsthema. In der Morgenbesprechung hatten sie allesamt XL -Kaffeebecher vor sich stehen, wirkten aber trotz Augenringen und schwerer Lider aufgekratzt und einsatzbereit. Endlich, Kinder, dürft ihr einmal Teil von etwas ganz, ganz Großem sein, dachte Bergmann. Und ich bin jetzt gleich der böse Chef, der euch klarmacht, dass wir mit dem Fall nichts mehr zu tun haben, weil das in den Aufgabenbereich von BVT und Abwehramt fällt, und überhaupt eine Nummer zu groß für euch ist. Nun, er hatte seine Truppe wohl unterschätzt. Keine Einwände, kein enttäuschtes Gemurre; dass sie in dem Fall weiter ermittelten, schien überhaupt niemand erwartet zu haben.
„Was passiert jetzt eigentlich mit Müller und seiner Tierkampfarena?“, wollte Leitner wissen, nachdem Bergmann seinen kurzen Vortrag über etwas gehalten hatte, das offensichtlich alle bereits wussten oder niemand wissen wollte.
„Wir warten die Ergebnisse der Spurensicherung ab …“
„Es ist Tierblut … zumindest der größte Teil …“, brachte Kovacs ein.
„Sagt wer?“
„Die Forensik … ein vorläufiger Bericht ist gestern Nachmittag gekommen …“
„Gut … dann geht das an die Staatsanwaltschaft, wir vernehmen Müller und sehen, wie er sich da herauswinden will … gibt’s eigentlich irgendwas über die Waffe, Leitner?“
„Nichts … hätte mich auch gewundert. Eine P1 aus den Fünfzigern, das ist eher was fürs Antiquariat … wer jemanden erschießen will, besorgt sich dann doch was Verlässlicheres …“
„Eine Waffe, durch die drei Menschen umgekommen sind, ist mir verlässlich genug … Strasser, du verfolgst das weiter, Leitner brauche ich jetzt für Müller … Kovacs: Was treibt der Richter, nervt er noch?“
„Natürlich … hab zweimal mit ihm telefoniert und ihm klargemacht, dass es dauert, bis ich sein Konvolut durchhabe … übrigens: Der Eisert, der war auch beim BOG …“
„Was soll das sein?“, fragte Bergmann.
„Dieses Bündnis zur Optimierung gesellschaftlicher Strukturen … so was wie ein Rotary Club … der Richter glaubt ja, dass die hinter dem Tod des Bürgermeisters stecken …“
„Ach die Geschichte … das BVT weiß darüber Bescheid?“
„Natürlich … was die inzwischen schon alles wissen, kann einem fast Angst machen …“
„Vielleicht können sie uns ja auch bei Major Schäfer weiterhelfen“, meinte Schreyer und sah erwartungsvoll in die Runde, als ob er gerade die Erkenntnis der Woche geliefert hätte.
„Ja, werde ich ihnen heute noch vorschlagen“, erwiderte Bergmann, „die sterben momentan sicher vor Langeweile.“
Zurück im Büro, setzte sich Bergmann an den Schreibtisch und legte das Gesicht in die Hände. War es die neue Funktion, die ihn so erschöpfte? Die Führerrolle. Die neue Macht, die ihn nach oben drückte. Und gegen das zusätzliche Gewicht kämpfte, das nun auf ihm lastete. Er nahm seinen Kugelschreiber und zeichnete drei Striche auf die Schreibunterlage. Drei Tage, an denen er kaum an Schäfers Abwesenheit gedacht hatte. Sich nicht nach den Ermittlungen der Fahnder erkundigt. Weder die Mutter noch die Nichte zurückgerufen. Ping, ein Mail kam herein: Lorenz hatte die Bilder von Eiserts Wohnung geschickt. Bergmann speicherte sie ab und sah sich die Detailaufnahmen der Leiche an. Der Anhänger um den Hals. Bergmann stand auf, ging um den Schreibtisch, öffnete Schäfers Devotionalienlade und nahm das goldene Amulett heraus, das er Tage zuvor betrachtet hatte. Es sah dem Anhänger von Eisert ähnlich, dem Material und der Form nach, die Abbildung darauf war allerdings eine andere: bei Schäfer das Dreieck mit den zwei Wellen, bei Eisert eine grob skizzierte Figur, fünf kurvige Linien, die wohl den Körper symbolisierten, ein Kreis für den
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