Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
Kopf, darüber ein Bogen wie ein halber Heiligenschein. Bergmann griff zum Telefon und rief ihren ersten Gerichtsmediziner an.
„Koller, grüß dich … Ja, in Gedanken spiele ich schon mit der Frühpension … Strasser war immer schon eine Sau … Ja, hast du den Eisert bei dir? … Auf den Fotos hat er einen Anhänger um den Hals, so ein Amulett … Gold? Bist du sicher? … Nein, mit dem BVT lege ich mich deswegen nicht an … Kannst du was mit dem Bild darauf anfangen? … Ein Engel? Darauf wäre ich nicht gekommen, aber wenn du meinst … Ich komme vorbei und erzähle es dir persönlich … Danke, bis bald.“
Koller war ziemlich sicher, dass der Anhänger aus Gold war, möglicherweise eine Legierung. Für Bergmann sah er eher aus, als hätte wer eine alte Messingtürklinke eingeschmolzen, ein paar Klumpen daraus geformt, etwas hineingekritzelt und dann in einer Fußgängerzone den Touristen als Glücksbringer der Maya verkauft. Er steckte den Anhänger in ein Kuvert und dann in die Jacketttasche, um ihn im Lauf des Tages ins kriminaltechnische Labor zur Überprüfung zu geben. Bei Schäfer musste man schließlich auf alles gefasst sein.
17.
13:30 Uhr: Tote Frau in Hernals. Bergmann schnappte sich Kovacs und fuhr mit ihr zur angegebenen Adresse.
„Wer hat angerufen?“, fragte er den Beamten vor dem Haus.
„Schüler … sitzt drinnen … wahrscheinlich ein Suizid.“
Bergmann und Kovacs gingen durch den schwach beleuchteten Hausflur, der nach nassem Altpapier und Katzenurin stank. Im Innenhof stand ein Uniformierter und schrie den Leuten in den oberen Stockwerken zu, dass sie sich gefälligst in ihre Wohnungen zurückziehen sollten. Auf einem der vier Müllcontainer lag die Frau, rücklings und nur mit einem Negligé bekleidet. Lehrbuch hin oder her – Bergmann konnte nicht anders, als den beigefarbenen Seidenstoff zurechtzurücken, damit ihr Geschlechtsteil nicht mehr zu sehen war. Dann wandte er sich an den Jungen, der bleich wie Gips auf einer Getränkekiste saß und den Boden anstarrte.
„Wohnst du hier?“
„Nein.“
„Aber …“
„ …“
„Was hast du hier gemacht?“
„Nichts …“
„Geraucht, gekifft, getrunken oder gibt es von den Containern aus einen guten Ausblick auf ein Paar Titten?“, Bergmann ging neben dem Jungen in die Hocke. „Wie heißt du?“
„Marcel.“
„Also, Marcel …“
„Wir haben geraucht …“
„Wir?“
„Ja … Hasan und ich, wir … aber eigentlich rauchen wir nicht …“
„Und wo ist Hasan jetzt?“
„Ist weg …“
„Gut, Marcel … was ist hier passiert?“
„Wir sind da hinten, hinter dem Container gesessen, haben geraucht … und plötzlich ist die heruntergefallen …“
„Habt ihr davor etwas gehört?“
„Was denn?“
„Einen Schrei zum Beispiel …“
„Ja, geschrien hat sie … aber nur kurz …“
„Und davor?“, Bergmann nahm sich einen schäbigen gelben Babysessel, der neben anderem Sperrmüll herumstand, und setzte sich neben den Jungen. Zwei Beamte der Spurensicherung und der Gerichtsmediziner betraten den Hof, grüßten stumm und machten sich an die Arbeit.
„Weiß nicht …“
„Hast du schon einmal einen Toten gesehen?“
„Nein … ja, meinen Opa … aber der war anders tot …“
Verdammt, dachte Bergmann, wo sind denn diese Penner vom Kriseninterventionsteam wieder.
„Ich habe schon viele gesehen … das macht einem immer wieder Angst, das kannst du mir glauben“, log er, „komm, gehen wir vors Haus …“
Nachdem er Kovacs aufgetragen hatte, die Nachbarn zu befragen, setzten sie sich auf eine Bank beim Spielplatz gegenüber, hinter ihnen das Geschrei unbekümmerter Kinder.
„Was hast du gehört, bevor sie auf dem Container gelandet ist?“
„Sie haben sich gestritten …“
„Ein Mann und eine Frau?“
„Ja …“
„Was haben sie gesagt, weißt du das noch?“
„Sie, dass er ein Arschloch ist … und er, dass sie eine Schlampe ist … und sie, dass es ihm sowieso egal wäre, wenn sie tot ist … und er, dass sie bitte springen soll, weil das wäre für alle ein Segen …“
„Habt ihr da schon nach oben geschaut?“
„Nur kurz … hat man aber nichts gesehen … ist eh normal …“
„Was?“
„Dass sie schreien …“
„Die Erwachsenen …“, Bergmann fühlte sich mehr und mehr überfordert. Wo waren diese beschissenen Psychologen.
„Ja … und dann ist dieser Mann im Hof gestanden … und ist zu ihr gegangen und hat geweint und geschrien, dass er das nicht
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