Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
wollte …“
„Ein Mann? Wie alt war er … ungefähr?“
„Weiß ich nicht … so alt wie Sie?“
An der Straßenecke sah Bergmann den Wagen des Kriseninterventionsteams parken. Eine junge Frau stieg aus und zündete sich eine Zigarette an.
„Warum ist dein Freund nicht bei dir geblieben?“
„Der wollte nach Hause …“
„Warum?“, Bergmann spürte, dass der Junge etwas loswerden wollte.
„Den Film hochladen …“
„Ihr habt sie gefilmt, die Frau?“
„Hasan, ja, mit dem Handy …“
„Und das will er ins Internet stellen? … Wie heißt dein Freund mit Nachnamen? Und wo wohnt er?“
Mit der Adresse auf einem Notizbuchblatt lief Bergmann zum Beamten am Haustor. Im Eiltempo dorthin und verhindern, dass die Kröte den Film von der quasi nackten Frauenleiche ins Web stellte. Falls er schon online war, den Netzbetreiber informieren und löschen lassen, bevor die Datei um die Welt ging. Scheiß Ausländer, meinte der Beamte im Weggehen, und Bergmann hatte nicht die Energie, ihm zu widersprechen.
Die Beschreibung des Jungen vom Mann aus dem Hof traf auf den Lebensgefährten der Toten zu. Die Nachbarn im selben Stock bestätigten, dass es zwischen den beiden mehrmals in der Woche zu Streit gekommen war. Vor allem in der Nacht, da war einmal sie, einmal er spät und alkoholisiert nach Hause gekommen und ein paar Minuten später ging der Krach los. Hatte nie irgendwer die Polizei gerufen? Nein. Die beiden waren doch immer freundlich gewesen, so ist das halt, wenn man jung ist. Da der Mann nicht in der Wohnung war, wurde er zur Fahndung ausgeschrieben. Bergmann sah sich noch das Fenster an, aus dem die Frau gefallen, gesprungen oder gestoßen worden war, schaute auf die Uhr und gab Kovacs Bescheid, dass sie abrücken konnten.
„Eine halbnackte Leiche filmen und ins Internet stellten … was ist bloß mit der heutigen Jugend los?“, murrte er, als sie auf dem Rückweg ins Kommissariat waren. Kovacs lachte heraus, dass die Windschutzscheibe bespuckt war.
„Finden Sie das lustig?“
„Nein … Entschuldigung, das … das hat mich nur, das hat mein Vater immer gesagt … jedes Mal, wenn meine Brüder irgendwas ausgefressen haben … das war ziemlich oft …“
„Dürfte ein kluger Mann gewesen sein, Ihr Vater“, erwiderte Bergmann halb beleidigt.
„Na ja … Schweinebauer … viel mehr hat er nicht gekannt, glaube ich … aber blöd war er nicht, stimmt schon …“
„Schweinebauer, aha … und eines Nachts sind Sie von einem schrecklichen Quieken munter geworden, sind in den Stall hinunter und dann mit einem Ferkel im Arm in den Wald gelaufen …“
„Nein … das hat mir nichts gemacht“, erwiderte Kovacs und Bergmann fragte sich, an wem es lag, dass seine Witze nie so ankamen, wie er es sich vorgestellt hatte. Die musste doch Schweigen der Lämmer gesehen haben.
„Ich war schon mit vier beim Saustechen dabei …“
„Saustechen …“, sagte Bergmann leicht angewidert.
„Ja, haben wir ihr eine Drahtschlinge um den Hals gelegt, dann hat ihr der Papa eins mit dem Fäustl über, das Messer in die Seite, und dann hat’s schnell gehen müssen wegen der Blutwurst … die ist am besten, wenn sie ganz frisch gemacht wird … da sind alle Nachbarn gekommen und die Wirte sowieso, mein Vater hat die beste Blutwurst weitum … also mit dem neuen Schlachtgesetz ist die nicht mehr so gut, aber immer noch …“
„Ach …“
„Ja, wegen der Angsthormone“, Kovacs war nicht mehr zu bremsen, „von meinem Urgroßvater haben sie ja erzählt, dass er die Sau in den Arm genommen und sie gestreichelt hat, damit sie schön ruhig und entspannt ist … und dann hat er ihr mit bloßen Händen das Genick gebrochen … so ist sie ganz friedlich gestorben und die Stresshormone sind nicht ins Blut …“
„Und Ihre Brüder, was machen die jetzt?“
„Einer ist in der Schweiz, einer in Schweden, einer in Australien, einer noch daheim … der älteste sitzt in Stein …“
„Wieso das?“
„Zeltfest … hat einem einen Bierkrug übergezogen …“
„Tot?“
„Ja.“
„Tut mir leid.“
„Mir auch … aber vielleicht wär’s später noch viel schlimmer gekommen … der Hans ist ein Spinner, immer schon gewesen …“
Kurz vor sechs wurde Bergmann informiert, dass sich der Mann der in den Tod gestürzten Frau gestellt hatte. Nein, gestanden hätte er nichts. Er säße einfach nur da, die Arme auf den Oberschenkeln, und ließe den Kopf hängen. Bergmann sah auf die Uhr. U-Haft oder
Weitere Kostenlose Bücher