Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
Schreibtisch, rief seine Mails ab. Brühl hatte ihm tatsächlich schon das Video geschickt, das ein Freund von ihm während der Demonstration gegen den Burschenschafterball gemacht hatte. Au, au, dachte Bergmann, als er sah, wie ein vermummter Beamter der WEGA auf den am Boden liegenden Studenten eintrat. Er machte ein Bildschirmfoto des Polizisten, druckte es aus und rief Strasser an.
„Finden Sie heraus, wer dieser Beamte ist“, sagte er, während er Strasser den Ausdruck hinhielt.
„Wer hat ihn angezeigt?“
„Da liegt ein Mann wehrlos am Boden und ein anderer tritt ihm mit dem Fuß in den Bauch … für so etwas braucht es keine Anzeige … da ermitteln wir von uns aus … steht irgendwo im StGB, oder?“
„Sicher … wir sollen gegen einen Kollegen ermitteln, im Ernst?“
„Das ist kein Kollege, das ist ein Krimineller, im Ernst.“
Kurz vor sieben bekam er sechs Mails von Selma: hoch aufgelöste Scans der Bilder, die sie von Plier und den anderen Teilnehmern des Seminars im Waldviertel gemacht hatte. Bergmann speicherte sie ab und schickte sie dann an den Farbdrucker. Auf einem der Fotos stand Plier in weißen Leinenhosen und mit nacktem Oberkörper im Grätschstand über einem Bach und streckte die Hände von sich – als wollte er das menschliche Proportionsschema von da Vinci nachahmen. Um den Hals trug Plier … ja, und Bergmann empfand nicht die Aufregung, die diese Entdeckung eigentlich hätte mit sich bringen sollen. Als hätte er es gewusst und sich nicht auszusprechen getraut, bevor ein Bild die Bestätigung geliefert hatte. Da war der Anhänger, der dritte seiner Art, und wohl der zwingende Beweis, dass Eisert und Plier in Verbindung gestanden waren. Und Schäfer: Da saß er, nackt im Naturpool eines Bachs, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen, den Geist wahrscheinlich umnebelt von Pliers Drogenmischung; er sah entspannt aus, fast glücklich, zweifellos ohne jede Ahnung, wie gefährlich die Sache war, in die er da auf dem Weg von der Insel Réunion ins Waldviertel geschlittert war.
Als die Nacht hereinbrach, verließ Bergmann das Büro. Zu spät – weil er die letzte Stunde ohnehin nichts zuwege gebracht hatte, als an die Wand zu starren, ab und zu einen Stift dagegen zu werfen und Selbstgespräche zu führen. So ging es nicht weiter. Er musste die Ermittlungen auf eine breitere Basis stellen. Unmöglich würde er auf die Schnelle und allein die anderen Männer ausfindig machen, die an diesem Seminar teilgenommen hatten. Unmöglich diesen ganzen Datenberg bewältigen, der damit zusammenhing. Zwei Stunden hatte ihn schon das Gespräch mit diesem Quatschkopf gekostet. Wohlgemerkt ein linker Student, der von der WEGA zusammengeschlagen worden war und sich dennoch bereit erklärt hatte, ihnen dabei zu helfen, Schäfer wiederzufinden. So viel zum Thema Quatschkopf, Bergmann, du Arschloch!
35.
„Bergmann.“
„Du hast das Zeug getrunken, wirklich?!“, Koller prustete ins Telefon, als wäre er selbst auf Drogen.
„Schäfer und du … eure nächtlichen Telefonate in Ehren, aber ich für meinen Teil …“
„Kurz vor Mitternacht, Herr Chefinspektor … da wirst du dich als Gruppenleiter dran gewöhnen müssen …“
„Also gut, mach’s kurz … aber … wieso ist das Zeug überhaupt bei dir gelandet?“
„Weil ich als Koryphäe der Wiener Gerichtsmedizin über eine herausragende und international anerkannte Erfahrung im Bereich illegaler Substanzen habe … mitunter letaler Substanzen, wie ich hinzufügen möchte …“
„Letal? Tödlich?“, Bergmann setzte sich im Bett auf, „das hätte mich umbringen können?“
„Der Tee? Nein … da musst du schon ein paar Liter trinken und das Kraut davor ordentlich auskochen … ich hab das ja erst einmal in meinem Leben probiert, in Mexiko …“
„Ich will wirklich nicht unhöflich erscheinen … was ist das für ein Zeug, das du jetzt offensichtlich zum zweiten Mal probiert hast?“
„Ayahuasca … also das ist der maßgeblich psychotrope Bestandteil in dieser Mischung, die ansonsten aus … warte … Johanniskraut, Meisterwurz, Ginkgo und Salbei besteht …“
„Und wie hast du das so schnell herausgefunden?“
„Du leerst es in eine Schale, nimmst mit einer Pinzette die einzelnen Kräuter heraus, zerreibst sie und riechst daran … weniger kompetente Kollegen verschwenden …“
„Alles klar … also: Ayahu … wie auch immer … was ist das?“, Bergmann stand auf und ging in die Küche, um ein Glas
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