Engelherz - Band 1-3
sterben nicht einfach nur an Alter. Sie werden nicht nur von Tieren gefressen, was zumindest noch in den Naturzyklus passen würde, sondern sie töten einander!“ Ich hörte meine eigene Stimme, die mit Jahve sprach. Mit Jahve, der seit dem Tag des Sündenfalls nicht mehr auf die Erde gekommen war.
Ich konnte nicht einmal weinen, so schockiert war ich von der Tatsache, dass es den Menschen möglich war einander zu töten.
Als es an meiner Tür klopfte, sprang ich auf und öffnete, da ich mit Samiel oder Eva rechnete.
Es war Kain.
Ich warf einen Blick in sein Gesicht. Seine Augen flackerten, als lauere Wahnsinn hinter ihnen. Erschrocken machte ich einen Schritt zurück und fiel beinahe über einen Stuhl hinter mir.
Kain grinste hämisch, als wenn ihm meine Angst eine besondere Freude bieten würde.
„ Du!“ er zeigte auf mich. „Du bist Schuld! Du bist schuld daran, dass mein Bruder tot ist!“ In seiner Stimme schwang eine solche Wut mit, dass ich noch zwei Schritte zurücktrat und ihm so das Eindringen in meine Hütte erlaubte.
„ Du bist schuld daran, dass wir sterben müssen!“ Er ballte seine Fäuste, als müsse er sich beherrschen, nicht auf mich einzuschlagen.
Ich schüttelte verzweifelt den Kopf, doch er beachtete meine Reaktion gar nicht, sondern starrte mich weiter anklagend an.
„ Es ist eine Schande, dass Jahve ausgerechnet DICH unsterblich gemacht hat und das auch noch als STRAFE!“ Er spie die Worte beinahe aus, auf seiner Stirn pulsierte eine Ader.
„ Nein! Sie ist der einzige Mensch, der es verdient hat!“, kam eine leise und melodische Stimme von der Tür.
Kain fuhr herum und starrte Samiel an, der in der Tür erschienen war und sich nicht von Kains Wut beeindrucken ließ.
„ Sie ist der einzig unschuldige Mensch auf dieser Welt!“ wiederholte Samiel und warf mir einen Blick voller Liebe zu, der mein Herz schneller schlagen ließ. „Er darf sich den Menschen nicht zeigen!“ , meldete sich mein Gewissen, obwohl ich dankbar für seine Anwesenheit war.
Kain öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch die Tatsache, einem Engel gegenüberzustehen, ließ ihn stumm bleiben.
„ Du hast deinen Bruder erschlagen! Nicht sie! Du hattest die Wahl! Und du hast dich entschieden! An deinen Händen klebt das Blut deines Bruders!“ Samiel war rasend vor Wut, seine Augen glühten – nie zuvor hatte ich ihn so gesehen.
Kains Ausdruck wurde höhnisch. „Du bist IHR gefallener Engel!“ meinte er in einem Ton, der besagte, dass er Samiel nichts glauben würde. Doch seine zitternden Hände und die Tränen in seinen Augen, verrieten etwas anderes.
„ Du hast deinen Bruder getötet!“ Samiels Augen flackerten golden bei seiner Anklage. „Du!“
Und ich verstand, warum Kain vor Angst und vor Schuld wimmernd zusammenbrach.
Samiel blickte auf den zusammengekrümmten Kain herab und in seinen goldleuchtenden Augen flammten Wut und Abscheu um die Wette, dann flüsterte er, wie zu sich selbst: „Und sie werden es wieder tun. Und wieder und wieder.“
Ich zitterte, weil ich plötzlich Angst um Kain hatte.
„ Lass uns alleine!“ bat ich leise.
Samiel blickte auf und mir direkt in die Augen. – Mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte und der mir einen Schauer über den Rücken jagte.
Zu meiner Überraschung nickte er stumm und ging so rasch, dass ich seine Bewegung kaum wahrnehmen konnte.
Ich hockte mich neben den leise weinenden Kain nieder und nahm in vorsichtig in den Arm. Als hätte er nur darauf gewartet, klammerte er sich an mich und ließ seinen Tränen freien Lauf.
„ Ich habe es nicht gewollt!“, murmelte er. „Wenn ich es doch nur gewusst hätte! Ich habe es nicht gewollt!“
„ Ich weiß. Alle wissen, das es keine Absicht gewesen ist!“
Kain schüttelt den Kopf. „Ich kann nicht zurückgehen! Sie würden mir Abels Tod nie verzeihen!“ Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „ICH würde mir niemals verzeihen!“
„ Wohin willst du gehen?“, frage ich ihn, doch er schüttelt den Kopf und sah mich an.
„ Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe“, meinte Kain und musterte mich von oben bis unten, als sähe er mich nun zum ersten Mal.
Schließlich wandte er den Kopf ab, als würde ihn mein Anblick verletzen und an etwas erinnern, was er nicht haben konnte.
„ Weißt du eigentlich, wie schön du bist? Wie rein und wie vollkommen?“, flüsterte er.
Jetzt war ich diejenige, der Tränen in die Augen schossen und die entschlossen den Kopf
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