Engelsasche
Sie fragte sich, ob hinter der Frage vielleicht auch persönliches Interesse steckte. Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. „Irgendwann werde ich wohl jemanden kennenlernen wollen, aber jetzt noch nicht. Ich muss an meine Karriere denken. Ich bin zufrieden mit meinem Leben, so wie es ist.“
Er betrachtete sie, als wäre er sich nicht sicher, ob er ihr das abnehmen sollte. Sie fragte sich, ob er zu den Männern gehörte, die meinten, jede Frau sei verzweifelt auf der Suche nach einem Ehemann. Oder vielleicht das genaue Gegenteil. Dass sie zu den oberflächlichen Frauen gehörte, die nur an sich selbst dachten.
„Ich werde das alles noch überprüfen“, sagte er. „Es könnte sein, dass Sie die Person kennen, aber nicht mit dem Stalker in Zusammenhang bringen. Er – oder sie – könnte sich mit diesem merkwürdigen Tonfall verstellen.“
Sie runzelte die Stirn. „Sie glauben doch nicht, dass es eine Frau sein könnte?“
„Wenn Sie sexuell nicht gerade zu beiden Lagern tendieren, wohl eher nicht.“
Sie lächelte. „Ich bin total langweilig hetero.“
Sein Blick verdunkelte sich. Maggie verspürte plötzlich ein merkwürdiges Ziehen im Bauch und verwünschte ihr Glück im Stillen. Sich zu Trace Rawlins hingezogen zu fühlen war das Letzte, was sie wollte.
„Die Handschrift sieht wie die eines Mannes aus. Aber es gibt auf jeden Fall auch weibliche Stalker. Wenn Eifersucht gegenüber einer ehemaligen Partnerin eines Mannes im Spiel ist oderwegen Ihres Erfolges in Ihrem Beruf. So etwas in der Art.“
Er stellte ihr noch weitere Fragen und arbeitete sich langsam in die Vergangenheit vor. Bei dem Gedanken an die Sache mit Josh Varner wurde ihr immer unwohler zumute.
„Erzählen Sie etwas über Ihre Familie“, bat er sie, während er sich hin und wieder Notizen machte.
„Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich vier war. Meine Mutter ist nach Florida zurückgezogen, wo sie aufgewachsen ist, heiratete kurz danach wieder und hat noch ein Kind bekommen. Ich bin hier bei meinem Vater geblieben.“
„Lebt er noch?“
„Er ist vor zwei Jahren gestorben.“
„Ich habe meinen Vater schon vor einer Weile verloren. Ich vermisse ihn immer noch.“
Maggie sagte nichts dazu. Ihr Vater hatte immer viel verlangt und äußerste Disziplin gefordert. Aber sie hatte ihn geliebt, und er fehlte ihr.
„Wie war das mit der Highschool? Irgendetwas Ungewöhnliches? Irgendwelche alten Streitigkeiten, die vielleicht nach Jahren noch mal hochgekommen sein könnten?“
Sie zwang sich, ihm weiter ins Gesicht zu sehen. Auf keinen Fall würde sie ihm von Josh Varner erzählen. Josh lebte nicht einmal mehr in Texas. Er war mit einem Stipendium auf die UCLA gegangen und hatte dann einen Job in Seattle bei Microsoft angenommen. Sie hatte gehört, er würde eine Menge Geld machen.
Und wenn er ihr eine Nachricht schreiben würde, wäre die garantiert in einem anderen Tonfall gehalten als die, die sie bekommen hatte.
„Ich … also mir fällt nichts ein. Außerdem, wenn es jemand von der Highschool ist, warum hat derjenige dann so viele Jahre gewartet?“
Trace hörte auf zu schreiben. „Normalerweise passiert irgendetwas, ein auslösendes Moment. Dann werden alte Erinnerungen geweckt, die aber meist ziemlich verdreht sind.“
Sie schüttelte den Kopf. „Mir fällt wirklich nichts ein.“ Jedenfalls nichts, das in letzter Zeit passiert wäre. Aber sie war froh, dass er gerade auf seinen Block blickte. Sie hatte noch nie besonders überzeugend lügen können.
„Es kann genauso gut sein, dass der Typ Sie einfach irgendwo gesehen hat, Sie sich aber nie kennengelernt haben. Er könnte sich aus welchem Grund auch immer auf Sie fixiert haben, sei es nur die Farbe Ihres Haars oder die Ähnlichkeit mit jemandem, den er kennt.“
Ihr lief eine Gänsehaut über den Rücken. „Verstehe.“
Trace streckte den Arm aus und nahm ihre Hand. „Wir werden den Kerl schnappen. Es gibt strenge Gesetze gegen Stalker.“
Sie nickte. Seine leichte Berührung wirkte beruhigend auf sie. Vielleicht konnte sie sich wirklich auf diesen Mann verlassen, vielleicht war er tatsächlich in der Lage, dieses Problem zu lösen.
Sie unterhielten sich noch eine Weile, aber er sprach ihre Vergangenheit nicht mehr an. Wenn etwas passierte, das mit ihrer großen Schmach zu tun hatte, würde sie ihm davon erzählen. Wenn sie das tat, konnte sie sich seinen Gesichtsausdruck jetzt schon vorstellen. Im Moment könnte sie das nicht
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