Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
dürfen.«
Ich kuschelte mich noch enger an ihn, in der Hoffnung, die Zeit möge einfach stehen bleiben und uns endlich unseren Frieden geben. Ich wusste durchaus, dass ich es mir in meinen Vorstellungen zu leicht machte. Jadon hatte mir neulich erst zu verstehen gegeben, wie hart es oft schon für ihn war, nach einigen Jahren, wieder wegziehen zu müssen. Nur, damit niemand bemerkte, dass keiner von ihnen altert, sie sich nicht verändern. Die Pässe mussten sich den Jahreszahlen anpassen und die Geschichten, die sie erzählten, ließen keine Fehler zu.
Aber unabhängig von allen hier hatte ich mir meinen eigenen kleinen Ausweg überlegt. Und was mir besonders wichtig daran war, war die Tatsache, dass die Cutcher keinem der Cartwrights dafür einen Vorwurf machen könnten. Auch Jadon nicht. Dann würden sie sie in Ruhe lassen und dann könnten wir wieder so schnell wie möglich und hoffentlich wenigstens weitestgehend normal wieder zusammenleben. Wenn mein Plan funktionieren sollte. Ein Gedanke, der mich zumindest ein kleines bisschen beruhigte, auch wenn ich zunehmend Gewissensbisse Jadon gegenüber bekam.
Mit diesen Gedanken schlief ich erschöpft von dem heutigen Tag ein, während mich Jadon die ganze Nacht in seinen Armen hielt.
13
Engelsauge
Ich nahm Musik wahr. Zuerst war es ein Klavierspiel, dann folgten weitere Instrumente und schließlich mischte sich noch männlicher Gesang dazu. Ich wippte leicht mit dem Fuß und öffnete langsam meine Augen.
Jadon war aufgestanden und seine Zimmertür stand etwas offen. Aus einem anderen Raum, vermutlich dem Nebenzimmer, drang die Musik bis zu mir vor und ich hörte ihr bis zum Ende zu. Es war das Lied ‘Wishing you well’ von der Gruppe Stanfour. Sie sangen gerade ‘Wishing you well, we say our last goodbye, this is farewell, so good old can go by ...’ und mir fiel wieder ein, welcher Tag heute für mich sein würde. Ich hatte das Gefühl, sie sangen dieses Lied über Abschied heute nur für mich.
Als das Lied zu Ende war, stand ich auf und schaute aus dem großen bodentiefen Fenster. Es war ein wunderschöner Tag. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne schien und die Vögel flogen eifrig um die Bäume herum. Ich öffnete das Fenster, das geteilt war und sich oben aufmachen ließ, und streckte meinen Kopf so weit es ging hinaus. Es war endlich Frühling und die Sonne wärmte langsam die Erde mit ihren Strahlen. Heute war der erste Tag, an dem es wärmer werden sollte und der Wetterbericht schien recht zu behalten.
»Du bist ja endlich wach. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.« Jadon trat hinter mich und legte seine Arme um meine Taille.
»Ich habe wirklich gut geschlafen. Der Flug hat mich gestern wohl doch ziemlich angestrengt.«
»Das ist normal. Am Anfang geht es jedem so. Immerhin hast du den ganzen Vormittag verschlafen. Daran muss ich mich echt wieder gewöhnen, wie es ist, ein schlafendes Murmeltier an der Seite zu haben.«
»So spät ist es schon? Dann bleibt ja nicht mehr viel Zeit.« Zusammen sahen wir noch eine Weile aus dem Fenster, ehe wir uns abwandten und nach unten in die Küche gingen.
»Wozu habt ihr eigentlich eine Küche, wenn ihr doch nichts essen könnt?«
»Francis wollte unbedingt eine, weil sie meinte, zu einem richtigen Haus gehöre eben auch eine Küche «, antwortete Annabelle, die gerade mit Cyril die Küche betrat.
»Und außerdem sind diese Kühlschränke unglaublich praktisch«, meinte Cyril, öffnete ihn und holte zwei rot gefüllte Beutel heraus.
»Mittagessen?«, fragte ich mit einem leichten Ekel im Ton, den ich mir einfach nicht verkneifen konnte.
»Ja, das ist Blut. Arthur hat uns menschliches Blut aus dem Krankenhaus mitgebracht. Aber es stammt nur von frischen Leichen. Menschliches Blut trinken wir sowieso nur sehr selten.«
Ich schaute Jadon an.
»Wie oft benötigst du eigentlich dieses Blut?«
»Nicht oft. Ein- bis zweimal im Monat reicht aus. In letzter Zeit mussten wir allerdings viel reisen und mehr kämpfen als sonst. Das menschliche Blut regeneriert uns dann schneller, als es das tierische Blut kann, wie du ja weißt. Und Zeit zum Jagen haben wir momentan auch nicht. Daher ist dies eine sehr seltene Ausnahme, die ich auch nur widerwillig zu mir nehme. Das kannst du mir glauben.«
»Ich warte draußen auf dich«, sagte ich und verließ die Küche. Ich hatte kein Problem damit, dass sie sich ab und zu von Blut ernähren mussten, aber ich musste auch nicht unbedingt anwesend sein, wenn sie es
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