Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
sagte.
»Wir gehen eben mit der Zeit.« Dann wurde er wieder ernst, das konnte ich sofort spüren.
Er erklärte mir, dass er kurzfristig weggeordert worden ist und in zwei Tagen erst wieder da sei. Mir war es recht, denn so konnte ich zum einen meinen Gelenken eine Pause gönnen und mich zum anderen besser um Patrick kümmern. Natürlich gefiel es ihm nicht, dass ich nun ohne weiteren Schutz in Vanicy sei, aber ich konnte ihn schnell beruhigen und so legten wir auf. Zurück ins Bett mochte ich jetzt aber auch nicht mehr gehen, dafür war ich zu wach. Also beschloss ich, meinen Gedanken auch Taten folgen zu lassen.
Ich zog mir eine dünne Jacke an und ging aus dem Haus. Zuerst wollte ich mit dem Wagen fahren, doch die Luft war so herrlich frisch und angenehm, dass ich es mir anders überlegte. Ich hatte kein besonderes Ziel, sondern wollte einfach nur ein paar entspannte Stunden genießen, bevor ich mich am späten Nachmittag mit Patrick treffen würde.
Ich ging die Straße entlang, und obwohl es noch so früh war, waren die Ersten bereits auf dem Weg zur Arbeit, während bei anderen noch die Jalousien geschlossen waren. Als ich beim Bäcker vorbeikam, holte ich mir schnell zwei Brötchen, die ich fast genauso schnell verputzte, wie ich sie gekauft hatte. Nach kurzer Zeit bog ich in eine Seitenstraße ein, die sich als Sackgasse entpuppte. Ich kletterte durch den Zaun, der an einer Stelle kaputt war, und ging quer über das leere Feld, das an den Wald grenzte. Dort folgte ich dem Waldweg, bis ich an eine kleine Lichtung kam. Ein kleiner Bach sprudelte über Steine hinab und floss in einem anderen kleinen Bach weiter. Das Plätschern und die Sonne, die das Wasser zum Glitzern brachte, tauchten diesen Ort in eine wunderschöne fast verborgene Landschaft. Ich setzte mich auf einen umgekippten Baumstamm, der am Fuße des Baches lag und schaute verträumt nach oben. Ob hier überhaupt schon mal ein anderer Mensch war? Und ob die Einwohner hier überhaupt wissen, welch atemberaubende schöne Landschaft sich hinter ihren Häusern und Wohnungen versteckt?
»Hallo, ich hoffe ich störe nicht.«
Ich hatte kurz die Orientierung verloren, als ich mich leicht erschrocken in die Richtung drehte, aus der die Stimme kam. Es war William, der sich vorsichtig näherte.
»Es tut mir leid, ich hatte keine Ahnung, dass außer mir noch jemand hier sein würde. Aber wenn du lieber allein sein möchtest, kann ich natürlich wieder gehen.«
»Nein, nein. Tut mir leid. Setz dich doch.« Ich zeigte auf den Platz neben mir, wo er auch schon Platz nahm.
»Kommst du öfter hierher?«, fragte ich ihn, um nicht unhöflich zu erscheinen, denn mein Herzschlag war so rasant gestiegen, nicht zuletzt deshalb, weil ich die Situation mit William nicht einzuschätzen wusste. Wieso tauchte er in letzter Zeit immer dort auf, wo auch ich war?
»Ja. Ich liebe diesen Ort und zumindest bis gestern war er auch noch ziemlich unentdeckt«, antwortete er und unterbrach damit meine weiteren Gedanken.
»Oh, tut mir leid. Ich bin einfach nur spazieren gewesen und stand plötzlich hier.«
Wir schauten zu den Felsen hoch, aus denen das Wasser plätscherte. Eine Weile sagte keiner etwas.
»Ich kann verstehen, dass du gerne hierher kommst. Der Platz hier ist wirklich traumhaft schön.« Jetzt schaute er mich an und ich konnte seinem Blick nicht lange standhalten. Er verunsicherte mich auf merkwürdige Weise, also stand ich auf.
»Ich sollte jetzt besser gehen. Dann kannst du hier auch noch in Ruhe ... was auch immer.«
»Warte!« Er stand auf und stellte sich neben mich. »Ich genieße deine Gegenwart und immer nur allein zu sein ist mit der Zeit ziemlich langweilig. Ich würde mich freuen, wenn du noch etwas Zeit übrig hättest. Wir können auch gerne dabei weitergehen.«
Ich war definitiv hin- und hergerissen. Ich wusste nichts über diesen Mann und zu allem Überfluss war ich mit ihm allein in einem Wald und niemand wusste, wo ich war. Und das, wo momentan Vampire und Mantikore hinter mir her waren. Da ich aber keine Anzeichen von Angst verspürte oder Schmerzen in meiner Hand hatte und er auch sonst keine gefährlichen Anzeichen machte, stimmte ich ihm zu, dass wir zusammen zurückgehen könnten. Zur Not könnte ich ja noch immer davonfliegen.
Jadon würde mir dafür, sofern er es erfuhr, die Hölle heiß machen. Dessen war ich mir sicher.
Es entpuppte sich als eine gute Wahl. Er zeigte mir noch einen weiteren Waldweg, wo wir nach einiger Zeit an eine
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