Engelsauge - Die Jagd beginnt (German Edition)
Ton und schaffte es nach einigen weiteren Überredungskünsten schließlich auch, Claire allein nach Hause zu schicken.
»Patrick?« Ich sprach ihn in ruhigem Ton an, nahm mir dabei den anderen Stuhl und setzte mich ihm schräg gegenüber. Er reagierte nicht, sondern schien völlig vertieft in ein Schriftstück zu sein.
»Patrick?« Meine Stimme hatte jetzt etwas mehr Nachdruck und diesmal schien es zu klappen.
»Enya? Was machst du denn hier?«
»Willkommen bei den Lebenden. Was tust du hier?«
»Das wirst du nicht verstehen. Claire tut es auch nicht.«
»Und ich bin nicht sie. Also, was ist los?«
Patrick räusperte sich, schaute sich um, um anscheinend sicherzugehen, dass niemand zuhörte. Dann lehnte er sich leicht über den Tisch und fing zu flüstern an.
»Ich habe gestern herausgefunden, dass Ruben umgebracht wurde.«
»Ja, durch ein Tier. Aber das wissen wir doch.«
»Nein, nein. Er wurde umgebracht, ermordet. Und zwar absichtlich.«
»Patrick, was genau willst du mir damit sagen? Ein Tier hätte einen Menschen absichtlich umgebracht?« Ich versuchte meine langsam ansteigende Unruhe hinunterzuwürgen.
»Sozusagen. Es ist kein gewöhnliches Tier und es lebt nicht hier. Ich versuche gerade Näheres herauszufinden, aber das ist nicht so einfach. Ich denke, das Tier wurde gesteuert.«
Ich musste schlucken und konnte nicht darauf reagieren.
»Du glaubst mir. Das sehe ich dir an.« Innerhalb einer Sekunde wurde er ganz hektisch, bekam aber wenigstens wieder etwas Farbe im Gesicht, im Gegensatz zu mir.
»Hier«, er hob einige Zettel hoch, »habe ich Beweise.«
»Woher hast du das?« Ich nahm sie ihm ab und überflog sie. Mit einem Blick konnte ich sehen, dass er sich Auszüge aus den Polizeiakten gemacht hatte.
»Mein Cousin ist ein Computerass. Jedenfalls konnte ich so einiges herausfinden. Die Bissspuren auf seinem Körper habe ich verglichen und ich war an dem Ort, wo das passierte ...«
»Du warst wo? Bist du total wahnsinnig. Du kannst dort doch nicht einfach allein herumspazieren.«
Er winkte ab und fuhr unberührt dieser Worte fort. »Dort habe ich nach einigem Suchen Fußspuren entdeckt, sie fotografiert und Abdrücke gemacht und jetzt vergleiche ich sie. Mit keinem Tier, was man kennt, kommen sie bisher infrage, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich fündig geworden bin.«
Ich hatte mich komplett in ihm geirrt. Patrick war komplett besessen davon, den Übeltäter zu finden. Doch dass es so schlimm war, hätte ich mir nie denken können. Von Claire wusste ich ja, dass vernünftiges Reden nichts brachte und da ich wusste, dass er mit dem was er sagte, durchaus recht hatte, schlug ich mich auf seine Seite. Eine andere Lösung schien in meinen Augen keinen Sinn zu machen.
»Du hast recht. Das klingt alles sehr logisch, was du herausgefunden hast.« Mit großen Augen schaute er mich an, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und die Müdigkeit in seinem Gesicht konnte man jetzt nicht mehr übersehen.
»Du gibst mir einfach so recht?«
»Ja, das tue ich. Aber bevor wir weiter an die Sache herangehen, solltest du jetzt dringend schlafen gehen. So wie jetzt bist du niemandem eine Hilfe und schon gar nicht dir selbst.«
Patrick nickte und schien erst jetzt seinen derzeitigen Zustand richtig zu bemerken.
»Schlafen klingt wirklich verlockend. Und dann treffen wir uns morgen früh wieder hier?«
»Morgen früh kann ich nicht, aber ich werde mich beeilen, versprochen. Aber am späten Nachmittag kann ich und dann treffen wir uns wieder hier, okay?«
Er nahm meinen Vorschlag wortlos an, packte alles sorgfältig zusammen und mit der Mappe unterm Arm verschwanden wir. Er wohnte zum Glück fast um die Ecke und ich brachte ihn sicherheitshalber direkt bis zur Haustür.
Ich war jetzt so müde, dass ich weder laufen noch fliegen wollte. Ich ging langsam die Straße zurück, unentschlossen, ob ich mir ein Taxi rufen oder doch den Versuch des Fliegens starten sollte, als ich hinter mir ein immer lauter werdendes Geräusch hörte. Einige Meter vor mir hielt dann auf der anderen Straßenseite ein Motorrad. Eines, an das ich mich erinnern konnte. Wieder überkam mich ein merkwürdiges Gefühl, aber dabei spürte ich keine Angst. Der Biker nahm seinen Helm ab und fuhr sich mit seiner Hand durchs Haar. Dann drehte er sich zu mir um und ich ging zu ihm hinüber.
»Hallo. Verfolgst du mich etwa?« Was Besseres war mir gerade nicht eingefallen, doch der Mann schien es gelassen zu nehmen.
»Und du?
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