Engelsberg
kletterten sie in den Auspuff, und waren sie erst in der Luft, stimmten sie, entflammt zweifellos von der grenzenlosen Freude darüber, in ihre Heimat zurückzufliegen, ihre Gesänge an und führten so bunte und wild bewegte Tänze auf, dass es ein im doppelten Wortsinn himmlisches Schauspiel war. Natürlich verlieh ihnen die Tatsache, in der Luft zu sein, eine nie gekannte Schwerelosigkeit und Grazie und erlaubte ihnen, sich sehr viel expressiver und kühner zu bewegen, mit noch viel größerer Leichtigkeit zu schwingen und Pirouetten zu drehen, sich zu verbinden und zu lösen, als sie das auf der Erde je gekonnt hätten. Auch ihre Lieder und das Tamtam ihrer Trommeln erreichten dort in der Höhe fröhlichste Wohlklänge, die mit ihrem stürmischen Widerhall sogar die Wolken erzittern ließen.
Der Himmel über La Tinaja war, als sie ausschwärmten im unwandelbaren Indigoblau, voll der herrlichen Gesänge und Tanze der Yoruba und Bantu (Congo und Lucumi), mit denen sie Changó, Ochún, Yemayá, Obatalá und allen anderen afrikanischen Gottheiten dankten. Zugleich ging ein dicker Vollmond auf, wie es aussah, ein Mitverschworener der Flüchtlinge. Auf der Blüte der weiten, hell erleuchteten Nacht schwirrten die kleinen schwarzen Punkte, die in der Ferne eilig entschwanden, als ließe eine verzweifelte Ahnung sie in einer anderen Welt suchen, was sie in dieser nicht gefunden hatten.
Trotz des atemberaubenden Schauspiels, das in der gesamten Geschichte des Tanzes nicht seinesgleichen kennt (ein Umstand, auf den schon Lydia Cabrera in ihrem Buch Dale manguengue, dale gongoní hingewiesen hat), herrschte unten, in der Familie Gamboa und ihrem Anhang, panisches Entsetzen: drangen doch immer neue ihrer afrikanischen Sklaven in den Apparat und entflogen in die Lüfte.
Don Cándido, der Priester und die anderen Herren versuchten, so gut sie konnten, diese Knallerei aufzuhalten, die Dampfmaschine aber stieß weiter Afrikaner aus. Schließlich riss sie sich, offensichtlich verstopft von der Unmenge der gleichzeitig in ihren Bauch drängenden Leiber und durch den Druck von Feuer und Dampf, aus ihrer Halterung und fing an, im Gehöft einen Veitstanz aufzuführen, wobei sie die schwarzen Sklaven in alle Himmelsrichtungen schoss.
Die Fräuleins und sogar die Herren rannten wie die Hasen, verfolgt von der Maschine selbst, die sich, Feuer und schwarze Leiber spuckend, wie toll inmitten einer gigantischen Staubwolke und mit immer lauter werdendem Donner im Kreis drehte.
»Verrat!«, schrie Don Cándido. »Ruft die Armee! Sie soll ihre volle Bewaffnung mitbringen!«
Gegen Mitternacht, als die Truppen anrückten und es ihnen gelang, mit schwerem Geschütz die Höllenmaschine in Trümmer zu legen, hatten Tausende von Schwarzen den ausgedehnten Vorplatz durch die Luft verlassen und waren auf Berge, Hügel, Palmenhaine und sogar auf die ferne Küste herabgeregnet.
Die verbliebenen schwarzen Sklaven aber schlugen in dieser Nacht, ohne Erlaubnis Don Cándidos, die Trommel zu Ehren jener Wagemutigen, die fortgeflogen waren nach Afrika.
Kapitel 25 Die Romanze im Palmenhain
Hand in Hand spazierten Isabel und Leonardo durch den weiten Palmenhain nahe dem Landsitz der Gamboas. Das weiße Kleid Isabels mit offenen Schleifen und durchbrochenen Ärmeln fegte mit seiner langen Schleppe den Pfad. Eine Aufgabe, die sich Isabel vorgenommen hatte, als sie die Wege voller Unrat erblickte. So erledige ich beim Spazierengehen eine nützliche Arbeit, dachte die junge Frau bei sich. Schließlich werden diese Ländereien nach der Hochzeit mit Leonardo auch mir gehören.
Und während sie so dachte, kommentierte sie gleichzeitig, ebenfalls um Zeit zu sparen, das Unglück mit der Dampfmaschine vom Tag zuvor. »Es passierte alles wirklich schneller als das Amen in der Kirche«, sagte sie und legte dabei Nachdruck auf das Wort Amen, um Leonardo ihre Frömmigkeit unter Beweis zu stellen und auch wieder um zu sparen: Heute Abend, sagte sie sich, wenn ich meine Gebete sprechen muss, habe ich ein Amen gut, weil ich es schon jetzt gesagt habe.
Leonardo jedoch kümmerte der Verlust von rund zweitausendfünfhundert Negern (Isabel zufolge war das sogar die exakte Zahl der Vermissten) herzlich wenig, gab es doch auf der Finca noch genug davon, und falls sie neue brauchten, würde man, wie ihm sein Vater versicherte, sie sich jederzeit in Afrika holen können. Seine wahre Sorge war, dass er Isabel noch immer nicht formell seinen Antrag gemacht hatte. Mit jedem Tag
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