Engelsblut
der Richtige, weil sie ihm vor einer halben Stunde eine SMS geschickt hatte, dass sie keine Überraschungsbesuche mehr wünsche. Nick saß wahrscheinlich gerade ziemlich frustriert in Wiesbaden, wie Margot vermutete.
Doros Verhalten verletzte Margot viel mehr, als sie zugeben wollte. Es ärgerte sie, dass das Mädchen – nein, dass die junge Frau kein Vertrauen zu ihr gehabt hatte. Weniger als zu Sandra. Okay, der hatte sie auch nicht erzählt, dass sie auf ihren Job im Krankenhaus pfiff und ihr Zimmer untervermietet hatte. Doro hatte sich auch Sandra gegenüber ziemlich mies verhalten. Aber dass sie völlig außen vor gelassen worden war, wurmte Margot. Da ist sie ihrem Vater sehr ähnlich, dachte Margot und spürte, dass ihre Wut wieder hochkochte. Aber sie machte sich auch verdammt noch mal Sorgen.
Vielleicht sollte sie mal versuchen, der verlorenen Stieftochter eine Mail zu schreiben. Sie hatte immer den Eindruck gehabt, dass Doro ohne Facebook, Handy und Mails nicht lange überleben könne.
Vielleicht war es aber auch die beste Idee, sich jetzt einen Cappuccino zu machen und sich dann einfach noch zwei Stunden lang privatem Bürokram zu widmen.
Sie ging in die Küche, in der inzwischen auch so eine Eier legende Wollmilchsau rumstand, die Rainer gekauft hatte. Man brauchte ein halbes Studium dazu, um sich einen Kaffee zu kochen. Rainer hatte damals diesen selig lächelnden Kleine-Jungs-Blick bekommen, den nur und ausschließlich teure technische Spielzeuge in Männeraugen zaubern können. Damals hatte sie es liebenswert gefunden.
Sie schaltete die Maschine ein. Die Kiste brauchte länger, um hochzufahren, als ihr Rechner. Und das wollte schon was heißen.
Dann beglückte die Maschine sie mit der Meldung: » Bitte Trester leeren . Margot entriegelte den Behälter. Nahm ihn heraus. Nur um festzustellen, dass sich darin gar keine Kaffeereste befanden. Dennoch wischte sie mit einem extra dafür gekauften Pinsel durch das Kästchen. Vor diesen Maschinen machen wir uns zu echten Idioten, dachte sie.
Sie setzte den nun klinisch sauberen Behälter wieder ein. Verriegelte ihn. Worauf die Maschine freudig verkündete: Selbstreinigung notwendig. Bitte warten.
Schön, dachte Margot, während sie zusah, wie die Maschine aufheizte. Kaum eine Minute später verlangte der Apparat: Bitte stellen Sie einen Behälter unter die Düse.
Aber klar doch, Liebling, dein Wunsch sei mir Befehl.
Sie drückte den Startknopf. Mit unglaublichem Getöse machte die Maschine klar, wie schwer der Job der Selbstreinigung war. Fertig , blinkte es ihr freundlich entgegen.
Margot stellte eine Tasse unter die Düse. Sich die Milch aufzuschäumen, hatte sie sich schon lange abgewöhnt. Einmal war dabei die Dichtung kaputtgegangen, und die umherspritzende Milch hatte nicht nur die Küche weiträumig eingesaut, sondern auch ihr schwarzes Kostüm ruiniert. Das hatte gereicht.
Sie drückte auf Kaffee .
Die Maschine schwieg. Die Anzeige erlosch. Und ging wieder an: Bitte Tester leeren .
»Du Scheißding!«, brüllte Margot ebenso laut wie ergebnislos.
Sie schlug mit der Hand auf den Einschalter, sodass die Maschine zur Seite rutschte und ausging.
Sie hatte doch für Notfälle immer ein paar irgendwo geklaute Portionspäckchen löslichen Kaffees in petto. Margot kramte in der Schublade. Fand ein Tütchen. Sah auf das Verfallsdatum. Vor einem halben Jahr abgelaufen.
Margot nahm sich eine Flasche Apfelschorle, ein Glas und ging ins Arbeitszimmer. Sie hatten die Zimmer etwas anders aufgeteilt. Auch Rainers Idee. Drei Wochen bevor er den Abflug nach Amerika gemacht hatte.
Margot fuhr ihren Rechner hoch.
Startete das Mailprogramm.
Nichts von Rainer. Nichts von Doro.
Sie schrieb eine kurze Mail an Doro: Liebe Doro, melde dich bitte, wo immer du auch bist. Viel Glück bei deinem Trip nach Afrika. Margot.
Jetzt hatte sie alles getan, was sie tun konnte.
Dann sah sie die Mail von ihrer Freundin Cora. Hillesheim war nicht nur die Heimat ihres neuen Scheichs, sondern auch die Heimat der Eifelkrimis. Margot selbst hatte nur die von Jacques Berndorf und Ralf Kramp gelesen. Und wenn man Coras Optimismus teilte, würde es bald auch von Cora Wilk Krimis geben, die in der Eifel spielten. Mit einem lokalen Verlag hatte sie schon Kontakt aufgenommen. Und nun hatte sie Margot die ersten hundert Seiten ihres Manuskripts geschickt. Ihr Scheich hatte ihr großzügig zugestanden, dass sie sich ein halbes Jahr lang gänzlich ihrem Erstlingswerk widmen dürfe.
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