Engelsblut
vernichtetet. Vielmehr wird quasi im Inhaltsverzeichnis einfach der Eintrag gelöscht. Die Datei ist grundsätzlich noch da, aber man kann nicht mehr auf sie zugreifen. Ich habe jedoch ein Programm, mit dem man solche Dateien wieder lesbar machen kann.«
»Heißt das, dass alle gelöschten Dateien prinzipiell noch zu lesen sind?«
»Nein, leider nicht. Denn wenn die Datei im Inhaltsverzeichnis gelöscht ist, können die Bereiche, in denen die Daten stehen, wieder mit neuen Daten überschrieben werden. Von den gelöschten Dateien bleiben dann nur noch Fragmente übrig.«
»Und auf die können wir dann nicht mehr zugreifen?«
»Jein. Auch da gibt es Programme, mit denen man noch etwas retten kann. Aber das dauert eine Weile – und ob es klappt, ist nicht sicher. Meist findet man nur noch Reste. Nach Textschnipseln kann man suchen. Aber Bilddateien sind meistens Schrott.«
Horndeich klickte jede der Dateien an. »Diese drei Dateien hier, das sind also Internetseiten, die Aaner aufgerufen, gespeichert und dann irgendwann gelöscht hat?«
»Ja.«
Horndeich überflog die Texte.
»Und, was steht da?«, wollte Riemenschneider wissen.
»Scheint so was wie eine Partnerbörse zu sein. Unter jedem Bild stehen ein Vorname und eine laufende Nummer. Die Zahlen neben den Fotos benennen Alter, Größe und Gewicht. Und цвет глаз – das heißt Augenfarbe. Цвет волос – das ist die Haarfarbe. Einen Moment.«
Riemenschneider grinste süffisant. »Na, der hat sich wohl tatsächlich nach einer Gespielin umgesehen«, mutmaßte Riemenschneider. Die Daten hätte ich auch gelöscht auf dem Familienserver …«
Horndeich scrollte nach unten. Jede der Seiten enthielt genau zwanzig Profile. »Es scheint noch mindestens eine mehr von diesen Seiten zu geben«, sagte Horndeich. »In der ersten Datei gehen die laufenden Nummern von 1 bis 20, dann von 21 bis 40. In der dritten Datei dann von 61 bis 80. Die Seite 41 bis 60 fehlt also. Und vielleicht gibt es ja noch mehr als 80.«
Riemenschneider nickte.
Horndeich scrollte nun in der zweiten Datei langsam nach unten.
Ein Bild zeigte eine hübsche dunkelhaarige Frau im strahlend weißen Hochzeitskleid neben ihrem Ehemann. Ihr Name war mit »Larissa« angegeben. Die Frau und ihr Mann strahlten in die Kamera. »Ich glaub’s ja nicht!«, fasste Riemenschneider das Erstaunen aller in Worte.
»Suchen die ein Paar für vergnügliche Stunden, oder was soll das?«
Horndeich scrollte zu den nächsten Bildern.
»Was bedeutet das alles denn nun?«, wollte Riemenschneider wissen.
Horndeich kopierte den Text neben dem Bild einer blonden Schönheit namens »Lena«, öffnete eine Übersetzungsseite im Internet und ließ den Text ins Deutsche übertragen.
»Und?« Riemenschneider wurde ungeduldig und wollte endlich wissen, was er entdeckt hatte.
Horndeich las die Übersetzung und sah Margot irritiert an.
» Ausbildung: hoch , steht dort, darunter: Blutgruppe: A, Rhesusfaktor + .«
»Kann man sich seine Blutspender jetzt schon im Katalog bestellen?«
Horndeich scrollte die Seite wieder nach oben. Über der Tabelle mit den Frauen stand nur eine kurze Überschrift, die Horndeich zunächst ignoriert hatte, weil er sie nicht auf Anhieb übersetzen konnte: Донор яйцеклетки. Er ließ auch diesen Text über die Internetseite übersetzen. »Spenderin der Eier.«
»Die Aaners haben also eine Eizellenspenderin gesucht«, stellte Riemenschneider fest.
»Ja. Aber warum in Russland?«, fragte Horndeich.
»Na, hier ist das ja wohl verboten«, meinte Margot.
»Klar, aber ich würde eine künstliche Befruchtung eher in Holland oder Frankreich machen lassen. Da ist die Eizellenspende nicht verboten oder wird zumindest geduldet.«
»Woher weißt du das denn?«
»Eine Freundin von Sandra und ihr Mann haben das ewig durchgespielt. Die Eierstöcke der Freundin haben keine Eizellen mehr produziert – nach irgendeiner heftigen Entzündung. Die sind dann nach Frankreich gefahren. Dort hat man eine fremde Eizelle im Reagenzglas mit seinen Spermien befruchtet, und Sandras Freundin hat das Kind dann in ihrem Körper ausgetragen.« Horndeich wandte sich Riemenschneider zu: »Können Sie die Seiten speichern und mir schicken?«
»Klar, mache ich.«
»Merci.« Horndeich ging in sein Büro. Er wollte nach Hause und nahm die Tasche ein letztes Mal an diesem Tag vom Schreibtisch.
»Ciao«, rief ihm Margot zu, die nun auch nach Hause wollte.
DONNERSTAG
Es war ihr peinlich. Margot kam
Weitere Kostenlose Bücher