Engelsblut
muss Sie enttäuschen, Herr Horndeich – der auch nicht.«
Nun sahen beide Hinrich fragend an.
»Also hat sie ihren Freund mit jemand ganz anderem betrogen.«
»So würde ich es nicht nennen.«
»Sondern?«
»Nun, der Grund dafür, dass ich die ganze Nacht daran gearbeitet habe, ist, dass das Ergebnis mehr als überraschend ist.«
»Ich hab’s! Der Vater ist der Gletscher-Ötzi.«
Nun verdrehte Hinrich die Augen. »Ein bisschen mehr Ernst, bitte. Zumbill ist nicht der Vater. Und auch Breklau ist nicht der Vater. Aber – und jetzt kommt’s – Susanne Warka ist auch nicht die Mutter.«
»Der war gut«, Horndeich klopfte sich demonstrativ auf die Schenkel. »Super, den muss ich mir merken.«
»Das ist kein Scherz, Horndeich. Ich habe es dreimal gecheckt. Susanne Warka ist nicht die Mutter des kleinen Mädchens, das in ihr wuchs.«
»Und wie soll das gehen?«, fragte Horndeich. » Mater semper certa est, die Mutter ist immer sicher – heißt es nicht so?«
Den Satz hatte Horndeich mal von Margots Vater aufgeschnappt. Dieser war bis damals noch mit einer Lateinprofessorin liiert gewesen und hatte allen zu erklären versucht, wie wichtig es auch heute noch sei, diese tote Sprache zu beherrschen. Ob die ihm jetzt in den USA wirklich nützte?
»Susanne Warka war eine Leihmutter«, sagte Margot.
»Richtig«, entgegnete Hinrich, »das ist die einzige Erklärung.«
»Das ist in Deutschland aber verboten. Genauso wie die Eizellenspende.«
»Ja«, sagte Hinrich. »Während die Geräte im Labor gearbeitet haben, habe ich mal die Rechtslage sondiert. Susanne Warka hat sich damit nicht strafbar gemacht. Aber jeder Arzt, der der leiblichen Mutter die Eizellen entnommen hat, um sie einer anderen Frau einzupflanzen, der schon. Und wenn er die Zellen tatsächlich einpflanzt, ist das ebenfalls gesetzwidrig. Der Arzt riskiert bis zu drei Jahre Knast und seine Zulassung. Danach kann er dann höchstwahrscheinlich Fritten verkaufen, aber nicht mehr als Gynäkologe arbeiten.«
»Aber wie blöd muss man denn als Arzt sein, um so ein Risiko einzugehen?« Horndeich verstand es nicht. »Und welche Eltern machen das? Das Risiko ist doch viel geringer, wenn man dafür ins Ausland geht. Meine Bekannten haben von einer Klinik in Georgien gehört. Oder auch von einer in Indien.«
»Oder in den USA«, warf Margot ein. »Sarah Jessica Parker und Nicole Kidman sind ja wohl die Paradebeispiele. Ganz legal.« Endlich zahlte es sich mal aus, dass sie beim Arzt und beim Friseur immer die Gala las.
»Das ist sicher richtig«, sagte Hinrich. »Es gibt aber ein Problem. Nach deutschem Recht ist die Frau die Mutter, die das Kind geboren hat. Anfang 2010 gab es mal einen Fall in Indien, da ging es genau darum. Die deutschen Behörden stellten Zwillingen, die von einer indischen Leihmutter ausgetragen worden waren, keine deutschen Dokumente aus. Und für die Behörden in Indien – wo Leihmutterschaft legal ist – waren die Kinder wegen der deutschen Eltern deutsche Bundesbürger. Daher gab’s auch keine indischen Reisedokumente.«
»Woher wissen Sie denn das?«
»Oh, die Nacht war lang … Deswegen mache ich mich jetzt auch vom Acker. Erst ein paar Stunden Schlaf nachholen. Und mich dann fürstlich bekochen lassen. Rheinischer Sauerbraten mit Kartoffelklößen und Blaukraut.« Er zwinkerte Horndeich zu.
Als Hinrich das Büro verlassen hatte, sagte Horndeich: »Da stimmt doch was nicht.«
»Wieso? Zweifelst du an der Sache mit der Leihmutter?«
»Nein, Hinrich hat seinen Job sicher richtig gemacht. Aber warum kommt er nach Darmstadt?«
Margot zuckte nur mit den Schultern.
Horndeich verließ das Büro und ging über den Flur schnurstracks in Fenskes Büro. Margot folgte ihm.
»Hallo? Anklopfen?«, empörte sich Fenske.
Horndeich ignorierte den Einwurf und ging ans Fenster. Das erlaubte ihm einen Blick auf den Bogen der Klappacher Straße und auf den Parkplatz.
Dort stieg Hinrich gerade in seinen neuen schwarzen Crossfire. Die brünette Beifahrerin, diesmal im Kleid mit Leopardenmuster, begrüßte ihren Rechtsmediziner mit einem dicken Kuss.
»Woher kenne ich die?«, fragte sich Horndeich laut.
»Darüber kannst du auf dem Weg zu Schaller nachdenken. Ich finde, wir sollten Susanne Warkas Gynäkologen gleich noch einen Besuch abstatten.«
Während sie zum Auto gingen, dachte Horndeich laut nach: »Meinst du, die beiden Fälle haben etwas miteinander zu tun? Die eine Frau hat so getan, als ob sie schwanger wäre, und die andere
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