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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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heimtückisch. »Sagt ihr, sie soll sich ausziehen«, befiehlt sie unwillkürlich.
    Kurz scheint sie mir übergeschnappt zu sein. »Was? Was sagt Ihr da?«
    Sie hört nicht auf zu grinsen.
    »Ja«, wiederholt sie. »Wenn Ihr das letzte Bild von Samuel sehen wollt, dann geht zurück zu Lena und sagt ihr, sie soll ihre Kleider ablegen. Sie trägt es zusammengerollt unter ihrem Herzen. Ihr könnt es nur sehen, wenn sie ihre Bluse auszieht, ihr Mieder aufschnürt und nackt ist. «

»Den künft’gen Engel,
    gräulich hasst er ihn;
    Er magert ab,
    er schlottert im Gebein,
    Er wird daran ersticken.«
    THEODOR STORM

ELFTER TAG
    Es ist zu erzählen, wie Susanna Bringsheim vor
    Samuel kniet, der Publizist Bechtlhuber einen Artikel
    schreibt und Lena nach Fisch stinkt
    Wenn Samuel einsam mit dem Blut von Menschen malte, die Doktor Mohr an die Schwelle des Todes führte, spürte er den schief gewachsenen Finger nicht und vergaß das Weh. Immer noch war er der Stille manchmal überdrüssig, sodass er das selbst gewählte Gefängnis verfluchte. Aber die Gewissheit, dass nicht nur er dann und wann mit seinem Leben haderte, sondern dass auch Lena litt und Andreas nur die Wahl blieb, gleichfalls zu leiden oder schmählich zu sterben, stellte ihn ruhig.
    Erst als Grothusen berichtete, dass Letzterer verschwunden sei, fühlte er das Mal, das Lena ihm zugefügt hatte. Es schmerzte, stach und pochte.
    Während Grothusen gleichgültig berichtete, raste Samuel vor Zorn.
    »Wie kann er gehen?«, schrie er spuckend und fluchend. »Wie kann er einfach flüchten? Wie kann er mich verraten?«
    Er wütete wie selten in seinem Leben, schlug Pinsel, Farben und Leinwände um sich und schrie, bis seine Augen tränten.
    »Ich muss mich wundern, dass du dich derart erregst«, bemerkte Grothusen kühl. »Man sollte meinen, du wärst froh, ihn los zu sein, so wie du dich ihm gegenüber zeigtest.«
    Samuel wollte Grothusen packen und schütteln. Seine Hände – entwöhnt von allem, was nicht Malerei war – zeigten sich jedoch kraftlos.
    »Andreas lebte an meiner Seite, noch ehe es dich in meinem Leben gab«, schimpfte er. »Er ist ein Schwächling, der kein Recht hat zu tun, was er will. Er hat sich mir anheim gegeben – mit Haut und Haaren. Und wenn er mich nicht mehr ertragen konnte, so hätte er eben krepieren müssen!«
    »Nun, er zog es vor zu leben, und das ohne dich«, warf Grothusen spöttisch ein. »Er ist dir davongeflattert wie ein Engel.«
    Unruhig schritt Samuel auf und ab.
    »Die Engel flattern, weil ich es so will«, murrte er, und die Stimme wurde ihm heiser vom Schreien. »Die Engel flattern, weil ich es ihnen befehle! Sie haben keinen eigenen Willen! Verstehst du?«
    Hierauf schritt Grothusen auf ihn zu, packte ihn seinerseits am Kragen und bekannte, wiewohl er es nicht sagte, dass er auf Andreas’ Seite stand.
    »Vielleicht flattern sie nicht hoch genug«, zischte er grimmig und mit jenem Hass, den eben noch Samuel gezeigt hatte. »Vielleicht bist du nicht gut genug im Engelmalen!«
    »Wag’s nicht, mein Werk abzutun wie einst in Cronberg!«, entgegnete Samuel wütend. »Man fällt vor meinen Engelbildern nieder! Man weint! Man küsst mir die Füße!«
    »Ha!«, lachte Grothusen höhnisch und verriet sich, ohne zu zögern. »Ha! Seinerzeit konntest du den Menschen bis zum Grund ihrer Seele schauen. Und nun spielst du einen einfältigen Tölpel, den man ohne Mühe zum Narren halten kann, nur um nicht der Einsamkeit anheim zu fallen? Insgeheim mag dir die Wahrheit wohlbekannt sein: Die Menschen huldigen dir, weil ich sie besteche und dafür bezahle!«
    Samuel erbleichte ob der ausgespuckten Worte. Ihr Sinn mochte nicht gleich in sein Hirn dringen. Dumpf starrte er Grothusen eine Weile an, um hernach umso zischender und hitziger auf ihn loszugehen.
    »Wag’s nicht, dich mit mir anzulegen!«, stieß er hervor.
    Sein Zorn beflügelte Grothusen, anstatt ihn zu mäßigen.
    »Oh doch, ich wage es«, bekannte er freimütig, »denn wer sollte es mir verbieten? Du wärst ermattet im Engelmalen, hätte ich dir nicht überschwängliches Lob ausgerichtet und nicht Menschen erkauft, die dir darin Bestätigung gaben. Jede einzelne Träne, jede Ohnmacht, jedes Seufzen war mir Goldes wert, weil mich deine Bilder hernach umso reicher machten. Vergiss niemals, dass ich gut bin im Geschäftemachen!«
    Samuel heulte auf. Gelber Hass trat ihm aus den Augen.
    »Du Hurensohn!«, brüllte er. »Du verdammter Fallensteller! Du hast mich

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