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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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dem Kopf zusammen und erschraken. Bloßgestellt fing das abgebildete Fräulein zu flennen an. Ein Lärm entstand, sodass alle zusammenliefen: der Graf von Altenbach-Wolfsberg, seine Base Elsbeth von Hagenstein und auch Andreas, ihr dritter Sohn, der alles beobachtet hatte und immer noch bewundernd auf Samuel blickte.
    Samuel ließ das Bild fallen und bot ihnen sein Gesicht dar. Er hatte keine Angst mehr davor, dass fremde Hände nach ihm griffen und ihn befühlten. Niemand aber wagte das zu tun, nachdem er dieses Bild gemalt hatte. Jeder wich zurück.
    Gräfin Marie war die Erste, die sprach.
    »Wie konntest du das tun?«, schrie sie. »Du darfst nicht einfach fortlaufen, dich vor uns verstecken und uns Sorgen machen!«
    Samuel schwieg, während man auf ihn einredete. Andreas, der gleichaltrige Vetter, trat hervor und antwortete an seiner statt: »Seht Ihr das Bild denn nicht, Frau Gräfin? Wo sonst sollte Samuel sein wenn nicht hier?«
    »Aber er gehört zu seiner Mutter!«, widersprach Marie.
    Andreas blickte sie unverwandt an. Es stellte sich heraus, dass er nicht nur lautlos und unaufdringlich sein konnte, sondern auch hartnäckig und stur.
    Marie wandte sich von ihm zu Samuel, versuchte, ihn bei der Hand zu nehmen und nach draußen zu leiten.
    »Fass mich nicht an«, wehrte sich jener störrisch. »Ich werde dich malen. Und dann erst bist du meine Mutter.«
    Marie errötete bei dem Getuschel der Umstehenden und wollte den Knaben fester packen. Graf Maximilian aber trat nach vorne und hielt sie davon ab.
    »Lass ihn los! Rühr ihn nicht an! Er ist gefährlich!«
    Nachdem er Samuels Bild erblickt hatte, sah er seinen lauen Lebensfluss austrocknen.
    Bis jetzt hatte er das genügsamste Weib, das man sich denken konnte. Marie forderte von ihm keine Liebe, keine Passion, kein Geld, nur die Bestätigung, dass es gut sei, wie sie lebten.
    Aber ab jetzt hatte er den unbequemsten Sohn, den man sich denken konnte. Er verstand, dass Samuel unbestechlich war. Sein Stiefsohn ließ sich von Verstellung nicht ködern. Es war ihm fremd zu täuschen.
    Er malt gut, durchfuhr es den Grafen erschaudernd. Er ist der beste, akkurateste und genialste Maler, den es auf Erden geben kann. Und er ist der gefährlichste, übelste und heimtückischste Denunziant, den ich je erlebt habe.
    Während er Marie mit sich zerrte und Samuel ihnen widerwillig folgte, hing Andreas von Hagensteins Blick immer noch an ihm fest und mochte sich auch dann nicht lösen, als der bewunderte Vetter längst entschwunden war. Andreas’ Gesicht, ansonsten farblos und nichtssagend, leuchtete. Seine Züge waren weich und zärtlich.
    Durch sein Verhalten vergaßen die Versammelten Samuels Benehmen und blickten nun kichernd auf Andreas.
    »Was starrst du so ungehörig hinterher!«, keifte seine Mutter Elsbeth von Hagenstein verärgert und beschämt.
    »Er malt schön«, murmelte Andreas. »Er ist schön.«
    Das Kichern wurde lauter. Elsbeth von Hagenstein errötete.
    »Es ist gegen die Sitten, einem Knaben so hinterherzugaffen!«, zischte sie ihren Sohn an, riss ihn an sich und versetzte ihm, da sein Gesicht nicht aufhörte zu strahlen, eine schallende Ohrfeige.
    Andreas begann erbärmlich zu flennen. »Es tut mir Leid!«, heulte er. »Es tut mir so Leid!«

Er bellt mich an – der Alte, der mir das Portal öffnet. Widerwillig mustert er mich von Kopf bis Fuß. »Hat man so etwas schon gesehen?«, grollt er. »Will der hartnäckige Bursche gar nicht mehr zum Klopfen aufhören? Als ob’s etwas zu holen gäbe hier!«
    Noch während er redet, sackt seine Stimme ab. Unwirsch und laut hat er begonnen, aber schon beim letzten Satz scheint ihm klar zu sein, dass sich die Aufregung um mich nicht lohnt.
    Hastig öffne ich nun meinerseits den Mund, gehe auf seine Worte nicht näher ein und frage forsch: »Ist dies der Gutshof des Grafen von Altenbach-Wolfsberg?«
    Die Frage ist bestimmt, ihn in die Schranken zu weisen. Ich weiß, dass ich hier richtig bin. Doch soll er nur nicht glauben, er könnte mich einschüchtern!
    Ein grunzender Laut kriecht aus dem Mann. Offenbar hat er zu viel gesoffen wie das Land um uns herum, jedoch Wein, nicht Regenwasser.
    »Wüsst’ nicht, was Euch das anginge.«
    »Ich möchte mit dem Grafen sprechen.«
    »Der Graf ist tot.«
    »Mich verlangt auch nicht nach ihm persönlich. Doch soll mir einer Kundschaft geben, der der Familie nahe steht!«
    Die Augen des Säufers sind rot geädert und gelb.
    »Es gibt keinen Grafen mehr. Seine Witwe

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