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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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einzuklagen – ausdauernd, aber vergeblich. Nach Felicitas’ Tod schien sich der Graf mit seinem Weib versöhnt zu haben. Er machte der Welt vor, dass sie wie Mann und Frau zusammenlebten. Doch in Wahrheit ließ er sie immer noch nicht zu sich ins Bett. Er bekannte sich in Gesellschaft zu seiner Angetrauten, war zufrieden mit ihrer leisen Sturheit und bedurfte ihrer, auf dass ihn des Domherrn Geld nicht mehr in seinem Stolz verletzte.
    Ihr Körper aber ekelte ihn an. Dieser hatte einen Bastard getragen und im Kuhmist geboren, und er gehörte einer Frau, die von einem Domherrn verraten, von einem Gatten verstoßen worden war und vor der toten Felicitas gestanden und gesagt hatte: Jetzt ist es gut.
    Des Nachts war es nicht gut. Des Nachts sperrte sie der Gatte aus seinem Leben, während sie vor der Tür stand, daran hämmerte und stets aufs Neue seine Berührung einforderte – in gleicher Weise, wie sie von Samuel ersehnte, dass er sich von ihr anfassen ließ.
    Jener war jetzt bereit, es ihr zu gestatten. Nachdem er der Welt die Wahrheit darüber mitgeteilt hatte, dass sie nicht des Grafen Gattin, sondern seine Mutter war, versperrte er sich nicht länger vor ihr, ging hin, um ihr Gesicht zwischen seine Hände zu nehmen, und presste einen Kuss auf ihre kalte Stirn. Er streichelte ihre Wangen und neigte sich vor, sie zu umarmen – auf eine Weise, wie er nach Felicitas’ Tod nie wieder einen Menschen umarmt hatte.
    Die Leute erhoben sich, um besser glotzen zu können, stießen sich in die Seite, um den Skandal zu betuscheln, lachten schrill über die entblößte Marie. Sie vernahm den Spott lauter und sah das gemalte Bild deutlicher, als dass sie Samuel fühlte.
    Erbleichend hob sie die Hand und schlug ihm ins Gesicht.
    »Du Bastard!«, schrie sie. »Du dreckiger Bastard! Hast du jemals geglaubt, du könntest mein Sohn sein? Fass mich nicht an!«
    Samuel wich zurück. Marie aber kreischte weiter. Sie schrie und plärrte. Sie spuckte Tränen. Sie wusste nicht, wohin sie ihre Scham speien sollte und ihren Trotz, mit dem sie bislang nicht ihr Glück beschworen, aber dessen Fehlen ignoriert hatte. Da ihre Hände sich weigerten, nach Samuel zu greifen, fanden sie nichts, woran sie sich festhalten konnten. Vor den gaffenden Leuten stürzte sie zu Boden, wand sich und vergrub sich in den eigenen Körper. Endlich gestand sie sich ein, dass der Domherr sie verraten hatte, indem er sie einem Mann gab, der sie nicht wollte. Liegend traf sie eine Entscheidung.
    Künftig sollte es für sie kein Außen, keine Welt und keine Menschen mehr geben, die Stürze wie diesen bedingten. Sie entschied, dass es besser war, nur noch an den Verrat zu glauben – ob des Domherrn und des Grafen und jetzt auch noch Samuels –, auf dass sie diesen mit gleicher Münze heimzahlen könne. Sie entschied, dass es besser war, sie verriete von sich aus das Leben, auf dass sie nicht länger vom Leben verraten würde.
    Während sich der Graf angewidert von ihr abwandte, kündigte sie sich der Welt auf. Sie schien über dem Bild ihres Sohnes verrückt geworden zu sein und ihr Leben vergessen zu haben, denn das Einzige, was sie von nun an tat, war, in ihrem Zimmer zu hocken und manches Mal vor der Tür des Grafen.
    Marie wusste es besser. Sie hatte den Verstand nicht verloren, sondern ihn freiwillig abgegeben. Sie war gesund und heil geworden an dem Bild, aber sie schwor sich, es allen zu verschweigen.
    Sehr viel später an diesem Abend verkroch sich Samuel in sein Gemach. Es war ein Arzt für Marie herbeigeholt worden. Veronika, die Braut, hielt die Hand der dumpfen Gräfin und fühlte ihren Puls. Nachdem sie mehrere Stunden derart bei der Wahnsinnigen gehockt hatte, riss der Bräutigam sie von der verrückten Marie los. Veronika gehorchte, aber sie blieb starr. Unmöglich vermochte der Gatte es, sich in dieser Nacht auf sie zu legen.
    Indessen die Gäste aufgeregt über die Vorkommnisse tuschelten, hockte Samuel alleine in seinem Gemach. Später näherte sich ihm ein Schatten; kleine, braune Augen legten sich auf seine Gestalt; eine Stimme sprach zu ihm, die sonst nur selten zu hören war.
    Andreas von Hagenstein war Gast bei der Hochzeit gewesen, hatte belauert, wie sich Marie in den Wahnsinn verstieg, und stand nun an Samuels Seite.
    »Lass dich nicht abschrecken«, sagte er. »Du bist gut. Du bist wirklich gut. Du bist der beste Porträtist, den man sich denken kann.«
    Samuel zuckte wortlos die Schultern, die sachte bebten, weil er fror. Andreas war

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