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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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Saales wurde gekichert. Marie münzte es auf sich. Sie beugte sich vor, umgriff den Weinkelch fester und raunte dem Grafen böse zu: »Wenn du von deinen Söhnen sprichst, vergiss den dritten nicht!«
    Unwirsch drehte sich der Gatte zu ihr. »Du solltest keinen Wein mehr trinken, sondern nur mehr Wasser«, herrschte er sie an.
    Marie sank zurück auf ihren Stuhl, trank weiter, spürte Flecken auf die weiße Gesichtshaut treten. Eine Zeit lang gab sie Ruhe, hörte den Grafen weiter sprechen und sah eine verschüchterte, verschreckte Braut in der Ferne.
    »Und werdet Ihr Euch auch für Samuel um ein Weib mit guter Mitgift kümmern?«, unterbrach sie des Grafen Reden erneut.
    Diesmal war das Kichern der Hochzeitsgäste nicht zufällig, sondern galt wirklich ihren Worten. Samuel horchte auf. »Ich habe dir doch gesagt, du solltest keinen Wein mehr trinken!«, schimpfte der Graf unbeherrscht.
    Marie wich ein letztes Mal zurück, sah den Saal verschwimmen, fühlte sich im Schweigen eingesperrt und entschloss sich, daraus auszubrechen.
    Sie stand auf. »Wenn ich möchte, trinke ich Wein statt Wasser. Darin hast du mir nichts zu befehlen«, erklärte sie fest. »Ist Samuel nun dein Sohn, und wirst du’s allen zeigen?«
    Die Hochzeitsgäste glotzten interessiert. Ihre Neugierde war durchsichtig für die Fragen, die sich dahinter stauten. Nur Veronika, die Braut, war erleichtert, dass die Aufmerksamkeit von ihr gezogen war, und duckte sich im Schatten des neuen Gatten.
    »Bist du närrisch geworden?«, raunzte der Graf und bemühte sich, das leichtsinnig ausgeplauderte Gleichgewicht ihrer Ehe zu wahren, welches darin gründete, dass sie zwar um Samuel buhlen durfte, ihm selbst aber Gleiches nie abverlangt werden sollte.
    Noch hoffte er auf die Zufälligkeit ihres jähen Trotzes. Sie seitwärts beobachtend, gewahrte er jedoch, dass der Wunsch, des Domherrn Verrat mit einer gelungenen Mutterschaft zu übertünchen, stärker war als jenes Band, das sie über der toten Felicitas geschlossen hatten.
    Er wollte den Mund öffnen, um ihr Ansinnen zurückzuweisen, doch stattdessen hörte er sich murmeln: »Du willst, dass ich Samuel vor allen Menschen achte wie meinen Sohn?«
    Marie bezwang ihn mit weintrunkenem Blick. »Ja«, sagte sie, »ja.«
    Er überlegte, ob er sich noch wehren konnte, und wusste zugleich, dass es zu spät war. Schon begann ein Raunen im Saal. Schon richteten sich aller Augen auf ihn. Marie blieb fest. Hoffnungslos gab der Graf nach, um dieses Nachgeben zum letzten Mittel seines Kampfes zu machen.
    »Nun denn!«, erklärte er laut und fröhlich, an die Gästeschar gerichtet, als jene nicht mehr Klärung erwartete, sondern nur mehr Skandal. »Bislang habe ich es verschwiegen, doch sollte es nicht im Geheimen bleiben. Ich will gerade heute auch von meinem dritten Sohne reden. Selten sprach ich von ihm in den letzten Jahren, was nicht heißen mag, dass ich Samuel weniger achte und liebe als meine beiden älteren Söhne. Es sei euch nicht verschwiegen, dass in ihm seit Jahren ein Talent wächst, das ihm von Gott selbst gegeben scheint. Er ist ein Künstler, wie ihn die Welt noch nicht hatte, und er vermag zu malen, wie ihr es alle noch niemals saht. Gerade eben hat er ein Bild meiner geschätzten Frau vollendet, und es soll mir eine Ehre sein, es heute und hier vor euren Augen zu enthüllen, auf dass ihr es bestaunen und bewundern könnt. Ihr werdet verstehen, dass es das beste und aufrichtigste aller Bilder ist, das jemals von unserer Gräfin Marie, meiner liebsten und hoch verehrten Gattin, geschaffen wurde!«
    Er begann zu lächeln und hörte nicht mehr damit auf. Er lächelte Marie an, und er lächelte Samuel an, und er befahl: »Komm, Sohn, hol uns dein Bild, lass uns daran teilhaben. Zeig, wie du deine Mutter sahst und maltest!«
    Schneller, als es Samuel gestatten konnte, und bevor ihm einfiel zu beteuern, dass es noch nicht vollendet sei, brachte man das Bild – das teuerste Geschenk, das Samuel jemals einem anderen gemacht hatte. Marie lächelte wie ihr Mann und glaubte, dass ihr Sohn sich nun endlich in ihr Leben einfügte, dass er es abrundete und glatt machte und nicht länger das Kind der verhassten Nebenbuhlerin war.
    Dann sah sie das Bild.
    »Ich habe dich gemalt«, erklärte Samuel. »Jetzt bist du meine Mutter.«
    Das Bild zeigte, wie sie vor der verschlossenen Tür des Grafen stand und daran hämmerte. Es zeigte sie, wie sie seit der Hochzeitsnacht vergebens versuchte, den Gatten für sich

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