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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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es, dass die Sache hier ausgemacht würde und er in den Dreck geschleudert würde. Bereitwillig öffneten sich die Türen, den Männern des Barons Einlass zu gewähren. Einige der Bediensteten hasteten ihnen voraus, um den Weg zu weisen. Sie stürmten ins Zimmer, noch ehe Samuel sie nahen hörte, ergriffen ihn und zogen ihn dorthin, wo Lothar ihn haben wollte. Halb lag Samuel schon im Staub des Bodens, als der heisere Baron vor ihn hintrat, seine Lippen zusammenpresste und schließlich die Hände hob, um ihn zu schlagen.
    »Willst du Blut?«, schrie Lothar und spürte die kalte Haut des Widersachers beim Aufprallen seiner Faust. »Willst du Blut, dann nimm dein eigenes!«
    Er schlug mit seinen Fäusten, trat mit den Füßen. Selbst als Samuel sich schon schluckend und speiend am Boden krümmte, hieb er ihm die Fersen in die Rippen und zerrte ihn an den Haaren hoch, um ihn erneut in den schmierigen Boden zu stampfen.
    Als Samuel fiel, erhob sich Grete. Zufrieden schaute sie zu, was dem Grafensohn geschah, und noch zufriedener sah sie, dass Lena sich nicht durch die kreisrund stehenden Gaffer drängeln konnte. »Hast deine Gewalt für heute aufgebraucht«, grinste Grete schmerzverzerrt.
    »Sie sollen ihn nicht schmutzig machen!«, kreischte Lena, aber dann verlor sie Samuel aus den Augen. Hilflos scharrte sie mit ihren Beinen ein Loch in den Boden. »Sie sollen ihn sauber lassen!«
    Endlich trat Lothar zurück. Samuel war jetzt kein abartiger Verbrecher mehr, sondern nur mehr ein Bündel Blut. »So«, sagte Lothar, »so.«
    Stimmlos befand er, dass seine Rache noch nicht genügend befriedigt sei, befahl, ein Feuer zu machen und die unseligen Bilder darin zu verbrennen. Nichts dürfe zurückbleiben, was seine Schwester demütige. Kein Rest des Verbrechens sollte seinen Namen jemals schmähen.
    Lothar fühlte sich angenehm erschöpft. Das Feuer rauchte und flackerte und knisterte an seiner statt. Er musste nicht mehr schreien und schlagen. Er musste nur noch zusehen, wie die lodernden Flammen sich die Bilder überirdischer, ewiger, heiliger Engel holten. Der Rauch biss; die Asche trieb Funken in die laue Herbstluft. Samuel lag am Boden und fühlte, was geschah, vermochte aber nicht, es aufzuhalten. Sein Werk war ein für alle Mal dem Flammenmeer übergeben.
    »So«, murmelte Lothar ein drittes Mal heiser und putzte sich seine Hände ab. »So – jetzt hat alles wieder seine Ordnung.«
    Schnaufend und prustend kam später, da bereits Stille in den Hof zurückgekehrt war, Pfarrer Greifenthal herbeigeeilt, von umsichtigen Menschen gerufen, um die Ruhe wiederherzustellen und die Rächer zur Vernunft zu bringen. Mit offenem Mund starrte er auf den brennenden Stoß, auf dem Samuels Engelbilder verkohlten, und bekam zu hören, was man ihm von den Geschehnissen zuraunte.
    »Heiliger Ignatius!«, stieß er hervor, vergessend, dass er einen Heiligen anrief, der nicht als Märtyrer gestorben war, sondern nur einen Orden gegründet und vom gemütlichen Bett aus das Jenseits beschritten hatte. »Lieber Himmel!«, setzte er hinzu, wandte sich verwirrt an Samuel und hielt ihm vor, dass er dergleichen nicht hätte tun sollen, dass es untersagt sei, andere Menschen zu verletzen, und dass es Gottes Gerechtigkeit entspreche, wenn er dafür bestraft würde, so bitter ihm dies auch sei. Mitten in seinen Sätzen hielt er inne. Samuels verwundetes, verschorftes Gesicht ekelte ihn. Er hielt sich ein Taschentuch vor den Mund und schloss hastig die Augen, weil er es nicht sehen konnte. Um ein Letztes zu tun, schlug er eilig ein Kreuzzeichen über die verbrannten Bilder.
    Samuel rappelte sich mühsam hoch und kam zum Stehen. Er wandte sich vom Feuer ab und ging hustend und spuckend und gurgelnd durch die Menschenmenge. »Narren!«, stieß er ebenso heiser und stimmlos hervor, wie es Lothar von seinem Geschrei geworden war. Er hielt sich den schmerzenden Leib, als er beim Haupttor angelangt war. Seine Schultern zitterten vor Enttäuschung. »Narren! Wisst ihr denn nicht, dass Engel unendlich kostbarer sind als jede Ausgeburt des Menschen? Wisst ihr denn nicht, dass ich das Schönste und Vollkommenste zu malen bestimmt bin, was es auf dieser vermaledeiten Welt jemals zu erschauen gibt? Kein Opfer ist dafür groß genug! Ihr hättet vor Freude und Ergriffenheit schreien und heulen sollen, nicht vor Entsetzen!«
    Der Winter kam schnell in diesem Jahr. Die Kälte war knirschend, der Himmel farbverloren, sein Grau drückend wie die Schneedecke. In

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