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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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die nächsten Jahre gelebt, mit dem Wissen, dass es keinen Platz und keinen Menschen für ihn gab, dass er zu nichts taugte und dass er kein anderes Talent hatte, als auf verbotene Weise zu lieben. Weil er nicht wusste, was mit solch einem Leben anzufangen sei, trafen seine Eltern vorerst die Entscheidung für ihn. Sie schickten ihn auf die Universität, auf dass er als gelehrter Doktor der Juristerei zurückkehren möge. Ihm aber fiel nichts anderes ein, als einen Mitstudenten so glühend zu begehren, dass er davon hohes Fieber bekam und sein erstes Examen verpasste.
    Sein Vater prügelte ihn mit der Reitpeitsche, bis er ohnmächtig wurde. »Nicht einmal schlagen kann man dich!«, brüllte er. »Sei ein Mann, steh gerade und nimm deine Strafe hin, ohne zu wanken!«
    Andreas heulte und flennte.
    »Du bist wider die Natur und gegen alle Sitten!«, schrie der Vater, aber er wagte nicht mehr zuzuschlagen, aus Furcht, den Sohn zu töten.
    »Ich weiß«, heulte Andreas, »ich bitte um Vergebung.«
    Um ihn abzuhärten, schickte der Vater Andreas zum Heer, wo er im Offizierskorps dienen sollte und wo ihn schließlich selbst Bürgerliche schmählich überrundeten. Darüber hinaus kam es zu Beschwerden, dass er des Nachts nicht schlief, sondern die dösenden Leiber seiner Kameraden begaffte.
    Diesmal prügelte der Vater ihn nicht. Stattdessen befahl er, dass ihm der absonderliche, sittenlose Sohn nie wieder vor die Augen kommen möge. Er habe ein monatliches Einkommen und ein stattliches Erbe zu erwarten – nur wolle er ihn nicht wieder sehen, und er solle am besten dort leben, wo niemand ihn kannte und er den guten Namen der Familie nicht in Verruf bringen könne.
    Andreas nickte schwach, duckte sich und heulte stundenlang. Seine Mutter Elsbeth von Hagenstein schämte sich für ihn, verachtete seine Schwäche noch mehr als seine Sittenlosigkeit, aber sie hielt es für ihre Pflicht, ihn vor dem endgültigen Abschied zu trösten. Zögerlich strich sie ihm übers Haupt. »Tu das nicht!«, flennte Andreas. »Ich bin es nicht wert, dass man mich anfasst! Ich bin verderbt und gegen alle Sitten!«
    Erleichtert zuckte sie zurück und lobte ihn dafür, dass er wenigstens mutig genug war, sich selber zu verachten.
    In den folgenden Monaten verkroch er sich in der Hauptstadt. Später fiel ihm ein, dass es eine Sache gab, für die er sich nicht verachtete. Er liebte Samuel. Er liebte ihn, weil jener der größte und beste aller Maler war. Er liebte ihn auch, weil er den schönsten Leib hatte, den sich Andreas vorstellen konnte – aber das fiel nicht ins Gewicht. Samuel verführte nicht. Samuel schlug um sich und würgte, wenn man ihn berührte. Samuel war rein wie ein Engel, was hieß, dass man ihn lieben durfte, ohne ein Sittenloser zu sein.
    Diese Gedanken besänftigten ihn, während er da in der Hauptstadt hockte. Und als er Lenas Ruf vernahm, folgte er bereitwillig.
    Vom viel beschwatzten Skandal um die Entehrung der armen Marthe hatte er nichts gehört. Auch wusste er nicht, dass Samuel sich von aller Welt zurückgezogen hatte. Und dass jener ihn nicht begrüßte und zur Seite blickte, als Andreas ihm mit höflichen Floskeln entgegentrat, deuchte ihn das kein ungewöhnliches Verhalten. Er kannte Samuel als Schweigenden – er hatte ihn nur selten reden gehört.
    Gleichfalls schweigend wartete er eine Stunde. Nachdem diese verstrichen war, sprach er einen ersten Satz.
    »Du musst mit mir kommen«, erklärte er.
    Samuel drehte sich vom Fenster weg, wo sich sein Atem niedergeschlagen hatte. Noch nie hatte er einen so gleichgültig Fordernden erlebt. Andreas rührte sich nicht unter seinem Blick. Er machte den Anschein, als würde er sich überhaupt nicht wieder rühren wollen.
    »Samuel«, murmelte er. »Samuel, du musst mit mir kommen. Du darfst nicht hier bleiben!«
    Samuel schüttelte den Kopf. »Was willst du von mir?«, sprach er die ersten Worte nach langen Monaten. »Was treibt dich andauernd zurück an meine Seite?«
    Andreas zuckte die Schultern. Seine Augen strahlten, aber er senkte sie rasch, damit es der andere nicht merkte.
    »Ich bin ein Niemand«, erklärte er freimütig. »Ich bin ein Niemand, der nichts kann und zu nichts taugt und sich gegen alle Sitten verhält. Aber ich habe Geld von meinen Eltern, die mich loswerden wollen, und kann alles bezahlen, wenn du mit mir auf Reisen gehst und Menschen suchst, die dich schätzen. Dies würde ich tun, wenn ich nur an deiner Seite leben könnte.«
    Erstmals vergaß Samuel

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