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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kroehn
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machte sich nicht die Mühe, nach ihm zu treten. »Und jetzt«, sagte er und stieg über ihn hinweg, »und jetzt geh mir aus den Augen!«
    In den Monaten, die folgten, wuchs Samuels Ruhm über die Grenzen hinaus. Weit spannte Grothusen den Handel mit seinen Bildern. Die Kunstvereine von Braunschweig, Nürnberg und Sachsen waren rege Partner. Emilie Linders, die in München einen schöngeistigen Kreis um sich geschart hatte und gemeinhin nur katholische Künstler förderte, war angetan vom Engelsmotiv. Nur in Russland war es schwer, gegen die einheimischen Maler anzukommen. Lange bemühte sich Grothusen um einen Briefwechsel mit dem Galeristen Pawel Tretjakow. Später gab er den Moskauer Markt auf, um wenigstens an Interessenten aus den großen Kaufmannszentren Pskow, Twer und Nowgorod zu verkaufen.
    Vom Geld, das er dabei verdiente, sprach er zu niemandem, sondern vertraute einen Großteil davon einem Schweizer Bankier an. Auf dass keiner danach fragte, entschied er, edlere Gewänder für die Gemeinschaft zu kaufen, damit der neue Reichtum sichtbar werde. Für sich selbst wählte er anstelle der üblichen Seide teuersten Kaschmirstoff aus dem fernen Indien.
    In dieser Zeit, da man von der Malerkolonie des Samuel Alt, welche sich im Salzburgerischen angesiedelt hatte und Blutbilder schuf, in ganz Europa hörte, herrschte Schweigen über jene eine Nacht.
    Samuel blieb verkrochen, sprach nur mit den anderen Künstlern und malte wieder Engel. Wenn er müde davon wurde oder unzufrieden, stand er auf, trat zur Türe, sah den leeren Ort, wo einst Lena und Andreas gehockt hatten, und setzte sich beruhigt vor seine Staffelei, um mit dem Malen fortzufahren und sich daran zu erfreuen, dass fremde Gefühle keine unerreichbaren Maßstäbe mehr setzten.
    Grothusen, der Meister des Wortes, schwieg wie er. Er gab sich stolz darüber, dass Samuels Ruhm wuchs, und er verbarg, dass er mit dessen Werk gehadert und vor dem Selbstbildnis in Verzweiflung geraten war. Wenn er auf Lena traf, wich er ihrem Blick aus, lächelte zwar breit, duckte sich aber zugleich kleinlaut. Nicht recht wohl mochte er sich in ihrer Nähe fühlen, denn er gewahrte, wie sie ihn floh, durch die Gänge des Hagensteiner Palais hastete und mager vom vielen Laufen wurde. Manchmal sehnte er sich, sie zum Verweilen zu bringen. Hernach bedachte er, dass die Stärke, die er von ihr erworben hatte, zu schnell verbraucht sei, wenn er sie gegen Mitleid tauschte.
    Dass sie nicht stillstand und ihre Liebe zu Samuel nicht mehr bekundete, entdeckte auch Andreas. Lange war er zu verwundet, um Lena für sich einzumahnen. Er ließ sich durch die Tage treiben wie sie und versuchte zu vergessen, was Samuel ihm angetan hatte. Selbst dann, als ihm nichts anderes einfiel, als Lena zum Stehen zu bringen und sie an seine Seite zurückzuklagen, konnte er nicht sprechen und nicht in Worte fassen, wie verwundet er war und wie sehr er sie brauchte.
    Stumm blickte er sie stattdessen an, bis sie in seinen Augen die Bitte ablesen konnte, ihm mehr zu geben als nur die Hülle der Gestalt, aus der sie geflohen war.
    Sie erblasste, blieb aber verstockt.
    »Gut, dass ich dich sehe, Andreas«, lenkte sie ab. »Wir haben lange keine Zeit zusammen verbracht. Doch gibt es viel zu tun für Samuel, sodass die Stunden spärlich werden ...«
    Andreas’ Gesicht zuckte weiter stumm. Selbst sein Atem war verschwiegen.
    Hastig sprach sie weiter. »Das verstehst du doch, nicht wahr? Hast immer alles vorzüglich verstanden. Warst nie einer, der viele Worte macht. Und hast es dennoch mitbegründet, wovor wir heute stehen.«
    Andreas schwieg wie ein Grab.
    »Ja«, erklärte Lena heftig, weil er ihr unbehaglich wurde. »Ja, ich habe lange gezweifelt, ob wir auf Grothusen setzen sollten in der Weise, wie wir’s taten. Und doch musste ich erkennen, dass er Samuel nicht minder dient als du und ich.«
    Vorsichtig schaute sie ihn von der Seite an. Auf seiner Stirne klebte Schweiß, sammelte sich zu Tropfen, fing an zu laufen. Der Schweiß lief über Nase, Schläfen, Kinn. Sein Hemd war nass geworden.
    »Ich bin mir nicht gewiss, ob du davon weißt«, mühte Lena sich ab und versuchte, von ihm abzurücken. »Von dem, was zwischen mir und Simon Grothusen geschehen ist. Du musst es nicht ernster nehmen, als es ist. Wenn Samuel es nicht gewollt hätte, so wäre ich niemals ...«
    Sie hatte das Gefühl, dass ihre Stimme leiser und leiser wurde, dass sie anschreien musste gegen seine Verbissenheit. Nass geschwitzt rührte

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