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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut
Autoren: Andrea Gunschera
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ist?“, fragte er.
    „Ein Seelengefäß.“
    „Mit einer lebendigen Seele. Kannst du sie spüren? Wie sie sich windet?“
    Mordechais Gesicht nahm einen entrückten Ausdruck an. In diesem Moment erkannte Alan die ganze Macht dieser Obsession. Mordechai ging darin auf. Das war seine Verheißung, sein persönlicher Olymp. Nichts und niemand würde ihn davon abbringen. Nicht Katherina und auch sonst niemand auf der Welt.
    Eine gewaltige Explosion zerriss den Moment. Der Boden bebte erneut unter Alans Füßen. Dieses Mal war es kein Echo aus der Ferne. Die großen Glasscheiben rissen mit hässlichem Knirschen. Der Sprengsatz musste ganz in der Nähe hochgegangen sein.
    In die darauffolgende Stille klang ein melodischer Ton. Die Aufzugtüren glitten auf und spieen eine Gruppe von Männern aus. Alan erkannte Ravins stämmige Gestalt und Aaron, den schmallippigen Wachmann, gemeinsam mit zwei anderen Schattenläufern.
    „Wir müssen hier raus“, rief Ravin. „Sofort! Die sind dicht hinter uns.“ Seine Stimme nahm einen beschwörenden Tonfall an. „Es sind viele.“
    Alan spürte ihre Blicke, Aarons Feindseligkeit, Ravins Trauer, die ihn schaudern ließ, weil er sie nicht zu deuten wusste, den Gleichmut der übrigen Männer. Und Mordechais marmorschwarze Augen, hart und kalt wie zuvor. Jeder Anflug von Nähe war verschwunden, so als habe Alan sich die letzten Minuten nur eingebildet.
    Plötzlich verstand er.
    Ihn übermannte das rasende Bedürfnis, auf seinen Vater einzuschlagen. Ihn zu verletzen, um ihm eine Emotion zu entringen – wenn schon nicht Liebe, dann wenigstens Hass.
    Schließlich dachte er an Kain. Ob Mordechai von ihm wusste? In diesem Moment begriff er, wie Kain zu dem geworden war, der er war.

    Eves Schultern schmerzten. Sie unterdrückte den Impuls, ihre verkrampften Muskeln zu massieren. Sie wollte Kains Aufmerksamkeit nicht auf sich lenken.
    So wie jetzt, wenn er reglos auf die Fahrbahn starrte, die Hände am Lenkrad wie Klammern aus Stahl, gelang es ihr, sich einzureden, dass all dies vorbeigehen würde. Dass sie aus dieser Sache heil herauskommen konnte, irgendwie. Alan hatte sie mit einem Ungeheuer zusammengekettet, zu einer brüchigen Zweckallianz. Sie mussten in Bewegung bleiben, hatte Alan gesagt, so lange, bis er sicherstellen konnte, dass Eve nicht länger das Ziel bluttrinkender Kopfgeldjäger war.
    Sie verstand noch immer kaum die Wandlung, die in Kain vorgegangen war. Doch etwas war geschehen, nachdem er ihr Blut getrunken hatte. Eine seltsame Magie hatte seine Mordlust ins Gegenteil verkehrt. Jetzt trieb ihn das Bedürfnis, ihr Leben zu schützen. Und unverhohlene Lust.
    Eve las es in seinen Augen. In der Art, wie er sie ansah, wenn er glaubte, sie würde es nicht bemerken. Und zu ihrem eigenen Befremden faszinierte er sie sogar, wie ein Raubtier auf der anderen Seite des Käfiggitters. Verstohlen musterte sie sein Profil, das so sehr dem von Alan glich, dass sie Brüder hätten sein können.
    Vor ihrem Aufbruch hatte Kain sich das Blut abgewaschen. Er war so schön wie Alan, doch sein helles Haar und die rauchgrauen Augen verliehen ihm ein ätherisches Aussehen, das im Widerspruch zu seinem Wesen stand und so noch verstörender wirkte. Eine Bestie mit dem Gesicht eines Engels.
    Sie stieß den Gedanken fort. Eine Zeitlang starrte sie aus dem Fenster, betrachtete die Lichter der Hafenanlagen vor dem nachtschwarzen Himmel. Sie hatten Newport hinter sich gelassen und durchquerten nun die Randbezirke von Long Beach.
    „Warum ruft er nicht an?“ Ihre Sorge um Alan unterhöhlte allmählich ihre Furcht vor dem Killer. „Er hätte sich längst melden müssen.“
    „Er weiß, was er tut“, erwiderte Kain.
    „Wie lange ist er jetzt fort?“ Sie starrte auf die Uhr in der Mittelkonsole. „Zwei Stunden.“
    „Von Ventura bis hier sind es anderthalb Stunden Fahrt.“
    „Was, wenn ihm etwas zugestoßen ist?“ Was, wenn er in Streit mit seinem Vater geraten war? Mordechai war kein Kleinkrimineller, mit dem man sich leichtfertig anlegen konnte. So wie sie es getan hatte, als sie seinen Namen in ihrem Artikel erwähnte. Oder Mordechai überzeugte Alan, die Seiten zu wechseln. Immerhin war er sein Vater. Nein, unmöglich. Sie wollte das nicht denken. Sie wollte ihm vertrauen. Dann bemerkte sie, dass Kains Blick auf ihr ruhte.
    „Wir müssen ihn anrufen“, sagte sie. Sie tastete nach dem Telefon in ihrer Jackentasche, dann fiel ihr wieder ein, dass es leer war.
    „Vielleicht trifft er sich
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