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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut
Autoren: Andrea Gunschera
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Privatsphäre legte.
    Die Erkenntnis über ihre Situation traf sie wie ein Schwall Eiswasser. Hier stand sie, mit blutverschmierten Jeans, zusammen mit einem Mann, der im Sterben lag. Seine Lider flatterten, seine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen. Sie spielte mit dem Gedanken, seine Bitte zu ignorieren und die Ambulanz zu rufen.
    Dann musste sie an ihre Witzeleien mit Felipe denken. Was, wenn es stimmte? Was, wenn Alan wirklich ein Undercovercop war und sie seine Tarnung sprengte, wenn sie den Notruf wählte und ihn in ein Krankenhaus bringen ließ? Womöglich schickte sie ihn vom Regen in die Traufe? Sie biss sich auf die Lippen.
    Verdammt. Was sollte sie jetzt machen?
    Eve beugte sich herunter und wälzte Alan auf den Rücken. Sie musste seine Wunden verbinden, damit er aufhörte zu bluten. Ja, das war sicher eine gute Idee.
    Hastig durchstöberte sie seine Küchenschränke und entdeckte schließlich eine Salatschüssel, die sie mit heißem Wasser füllte. Sie fand ein sauberes Handtuch, jedoch keinen Erste-Hilfe-Kasten. Kurz zögerte sie, dann zog sie das Laken vom Bett und riss es in schmale Bahnen. Sie schnitt Alan das T-Shirt vom Leib und würgte wieder, als ihr der intensive Blutgeruch in die Nase stieg.
    „Shit“, sagte sie, zu niemandem im Besonderen.
    Das Blut war überall. Sie konnte nicht einmal ausmachen, ob der Mann außer der klaffenden Wunde am Hals noch weitere Verletzungen hatte.
    Alan regte sich, als sie das Handtuch über seiner Brust ausdrückte. Er zuckte zusammen, als sie seinen Körper abzuwaschen begann. Eve entdeckte eine Stichwunde, aus der mehr Blut sickerte.
    Warum musste ausgerechnet ihr das passieren? Warum konnte sie nicht ein Mal einen Mann treffen, der ganz normal war? Nett und gutaussehend und einfach normal?
    Eve säuberte den Schnitt an seinem Hals, der sich von seinem Kieferansatz bis hinunter zur Schulter zog, schob die Schüssel beiseite und betrachtete ihr Werk. Ihr Spiegelbild zitterte in einer Pfütze blutigen Wassers. Schließlich kniete sie sich so hinter Alan, dass sie seinen Kopf auf ihre Beine betten konnte, und begann, die Wunde mit den Stoffstreifen zu umwickeln. Seine Hand glitt zur Seite. Wie lange durfte eigentlich jemand bewusstlos sein, bevor er Anlass zur Sorge gab?
    Anlass zur Sorge? Sie unterdrückte ein hysterisches Kichern. Allmählich verlor sie wirklich die Relationen zum normalen Leben.
    So konnte sie ihn nicht liegen lassen, auf dem kalten Boden in einer Pfütze aus Wasser und Blut. Sie umfasste seinen Oberkörper und zog ihn zum Bett, wo sie seinen Kopf und die Schultern gegen das Gestell lehnte. Sie kniete sich auf die Matratze und packte ihn unter den Armen, um ihn hochzuziehen. Der Körper erwies sich schwerer als erwartet. Für einen Maler war er ohnehin erstaunlich muskulös.
    „Wach auf!“ Erschöpft ließ sie ihn los. „Wach auf, verdammt!“
    Plötzlich war ihr kalt. Sie schlang die Arme um ihren Körper. Wieso war es so furchtbar kalt in diesem Studio? Ihre Augen brannten. Sie spürte, wie Erschöpfung sie in die Knie zwang. Das war’s. Der Zusammenbruch stand unmittelbar bevor. Sie schluckte und kämpfte gegen das Bedürfnis an, sich in eine Ecke zu kauern und loszuschluchzen. Sie hatte nicht einmal ein Telefon.
    Aber sie konnte auch nicht einfach davonlaufen. Sie hatte diesem Kerl das Leben gerettet, jetzt war sie auch dafür verantwortlich, dass er die Nacht überstand. Und zum Teufel mit seiner Tarnidentität! Was konnte schlimmer sein, als in einer Blutlache auf den Steinen zu sterben, weil niemand seine Wunden versorgte? Sie sah sich um. Es musste doch ein verdammtes Telefon in dieser Wohnung geben.
    „Eve“, flüsterte er hinter ihr.

    Eves Umrisse verschwammen vor seinem Blick. Alan versuchte den Schwindel abzuschütteln. Es dauerte mehrere Sekunden, bis er die Orientierung zurückgewann. Seine Hände glitten über den Boden, fanden die Bettkante. Er zog sich hoch, blieb dort sitzen und blickte an sich herab. Er registrierte die Verbände an seinem Körper und für einen kurzen Moment überlagerte Überraschung alles andere. Sogar den aufsteigenden Schmerz.
    „Wie lange war ich weg?“, fragte er.
    Eve starrte ihn an. Fassungslosigkeit stand auf ihrem Gesicht. „Keine Ahnung. Ungefähr eine Stunde.“
    Alan kämpfte gegen das Zittern in seinen Muskeln an. Sie musste gehen. Sofort. Dieser eine Gedanke explodierte in ihm mit bezwingender Klarheit. Die Transformation setzte bereits ein und er konnte nichts tun, um
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