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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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nicht fähig, sich aus diesem unbarmherzigen Blick zu lösen, der lähmen konnte oder verbrennen und der durch ihren Geist schnitt bis auf den Grund ihrer Seele.
    Einen Herzschlag später rutschte die Realität in ihre Angeln zurück. Katherina gewann ihre Fassung wieder. Es war eine bizarre Transformation. Ihre Augen wurden im Bruchteil einer Sekunde zu spiegelglatten Seen. Das Lächeln kehrte zurück. Es war, als hätte Eve sich die letzten Minuten nur eingebildet. Nervös fuhr sie sich durch die Locken. Etwas entging ihr hier.
    „Was ist mit diesem Ring?“, fragte sie. „Gehört der zufällig zu den britischen Kronjuwelen?“
    „Nein, das nicht.“ Die Stimme der Galeristin hatte zurückgefunden in ihren weichen, singenden Ton. Ihr Lachen, so liebenswürdig wie zuvor, verstärkte Eves Irritation. „Er ist Teil eines alten Königsschatzes und befindet sich im Kreml-Museum in Moskau. Undenkbar, wenn er gestohlen würde.“
    Sie log.
    „Es interessiert mich wirklich, wie Sie an die Fotos gekommen sind.“ Katherina lehnte sich vor. „Möglicherweise gibt es einen Anhaltspunkt für Herkunft dieser Statue.“
    Eve starrte sie an. Sie durfte dieser Frau nicht trauen, die ihre Masken so virtuos beherrschte. Andererseits, ein wenig Poker konnte nicht schaden. Vielleicht ließ sich die Galeristin aus der Reserve locken.
    „Der Name des Käufers ist Mordechai“, sagte Eve.
    Etwas verrutschte in Katherinas Blick, wie ein Sprung in einer Linse.
    „Sagt Ihnen der Name etwas? Ist er bekannt in Sammlerkreisen?“
    Katherina schüttelte den Kopf. „Ich habe nie von ihm gehört.“
    Eve sah ihr in die Augen und wusste, dass auch das eine Lüge war.
    Auf dem Weg zurück zum Auto presste sie ihre Handflächen gegen die Wangen, um die Hitze abzukühlen. Ihr Inneres war in Aufruhr. Seltsam, dass die Berührung von Katherinas Fingern zum Abschied sie an den Killer erinnert hatte, der seine Natur hinter dem Antlitz eines Engels verbarg. Das Puzzle gewann an Komplexität, und Katherina spielte darin eine undurchsichtige Rolle. Sie war mehr als ein Interviewpartner für Recherchen über Kunst im Altertum.
    Die Galeristin hatte sie hart bedrängt, die Quelle der Bilder preiszugeben. Eve fühlte sich ausgelaugt wie nach einem Verhör.
    Auf der Straße rollte ein Wagen vorbei, ein staubiger Dodge Magnum mit dunklen Scheiben. Eve nahm die Hände vom Gesicht und betrachtete ihre Finger, die leicht zitterten. Für einen Moment hatte sie Furcht verspürt, sogar echte Angst. Katherina hatte sich gebärdet wie einer dieser rüden Detectives, der einen Koksdealer festnagelt, einen kleinen Fisch, dem man mit Einschüchterung beikommen kann.
    War sie ein kleiner Fisch, der sich in Haigewässer verirrte? Ein beunruhigender Gedanke, den sie nicht weiter verfolgen mochte.
    Sie beobachtete den Dodge, der bremste und ein Stück die Straße herunter am Bordstein hielt. Ein Mann stieg aus, weit genug entfernt, dass Eve sein Gesicht nicht sehen konnte. Doch seine Bewegungen wirkten vertraut, sodass ihr Blick noch etwas länger auf ihm verweilte. Sie kannte diesen Umriss. Kannte ihn so gut, dass sie mitten im Schritt erstarrte und stehen blieb. Und dann geistesgegenwärtig zur Seite glitt, auf den Rasen, hinter eine Gruppe von Sträuchern, die sie gegen die Straße abschirmten. Niemand wusste, dass sie Andrej den Ring abgenommen hatte. Niemand, bis auf einen einzigen Mann.
    Alan.
    Und nun war er hier. Das konnte kein Zufall sein.

    Das Gewicht des Dolches fühlte sich vertraut an. Alan blieb stehen und legte den Kopf zurück.
    Er starrte hoch zum Haus, das sich halb hinter den Bäumen verbarg. Die vordergründige Harmonie dieses Ortes bestärkte seinen Groll. Mit lang ausgreifenden Schritten folgte er dem Kiesweg, bog schließlich ab und überquerte den Rasen. Zwischen Azaleen und Fliedersträuchern hindurch bahnte er sich einen Weg zur Rückseite des Gebäudes. Die Vorhänge der Terrasse bauschten sich im Wind, die Schiebetüren standen offen.
    Alan tastete nach der Pistole, die neben dem Dolch in seinem Hosenbund steckte. Abrupt blieb er stehen, als ihm bewusst wurde, was er tat. Es traf ihn wie ein eisiger Guss. Nie zuvor hatte er dieses Haus als Feind betreten.
    Seine Finger glitten über das kalte Metall. Er schüttelte den Kopf, wie um seine Zweifel zu vertreiben. Katherina hatte versucht, ihn aufs Kreuz zu legen, ihn zu missbrauchen für einen Krieg, der nicht seiner war. Die Erkenntnis, dass er nichts weiter für sie war als ein Bauer auf

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