Engelsfeuer
tun, um sie am Leben zu erhalten, würde sie sogar der Obhut eines anderen übergeben.
Als er die Hand nach seiner Tasse ausstreckte, geriet sein Gleichgewicht außer Kontrolle, dann drehte sich alles in seinem Kopf. Er wollte sich an der Arbeitsplatte festhalten, um nicht umzufallen, doch die war verschwunden. Als Becks Sinne wieder funktionierten, befand er sich nicht länger in seiner Küche, sondern auf einer grünen Wiese. Der Himmel war strahlend blau, und es war warm und sonnig wie mitten im Sommer. Das war bestimmt nicht Atlanta Anfang März.
»Was, zum Teufel, soll das?«
Dann entdeckte er den Engel unter einer ausladenden Eiche, die Schwingen seines Feindes waren deutlich zu erkennen. Beck spie auf den Boden und marschierte auf ihn zu, mehr als bereit, seine Frustration und Wut an Rileys Verführer auszulassen.
Der Engel sah ihn ohne ein Anzeichen der Besorgnis näher kommen.
»Mich zu töten wird Riley Anora Blackthorne nicht helfen«, sagte Ori.
Beck blieb wie angewurzelt stehen, Liebe und Rachegelüste bekriegten sich in seinem Inneren. »Was für ein Spiel treibst du, verdammt nochmal? Wo sind wir hier?«
»An einem Ort, den ich selbst geschaffen habe. Ich wollte gerne irgendwo sein, wo uns niemand belauschen kann.«
Was bedeutete, dass niemand je etwas erfahren würde, falls dieser Mistkerl beschlossen hatte, Beck zu töten.
»Das auch«, erwiderte der Engel.
»Du kannst meine Gedanken lesen.«
»Manchmal. Im Moment bis du so emotionsgeladen, dass es ein Kinderspiel ist.«
Beck stöhnte, wich aber nicht von der Stelle. »Warum reißt du mir jede Nacht mein Mädel aus den Armen und versuchst, sie umbringen zu lassen?«
Statt einer Antwort ließ Ori sich unter dem Baum nieder, stellte ein Bein auf und stützte den Unterarm auf das Knie. Diese Geste wirkte so menschlich. Doch andererseits lebte dieses göttliche Wesen schon so lange unter den Sterblichen, dass es nur natürlich war, dass er ihr Benehmen nachahmte.
»Ich warte auf eine Antwort«, sagte Beck.
Der gefallene Engel richtete seine dunklen Augen auf ihn. »In unserem Reich herrscht Aufruhr, weil mein Gebieter Sartael nicht getötet hat, als er die Gelegenheit dazu hatte.«
Beck runzelte die Stirn. »Luzifer ist kein Weichei. Wenn er einen seiner Engel für eine Bedrohung halten würde, wäre der Wichser jetzt tot.«
»Nur, wenn der Tod in seine Pläne passt.« Ori zupfte einen langen Grashalm aus und drehte ihn nachdenklich zwischen den Fingern hin und her.
Als der Engel nichts weiter sagte, setzte Beck sich ebenfalls unter den Baum, wobei er einigen Abstand zwischen sich und seinem Feind ließ. Der Wind kräuselte das Gras um ihn herum zu rollenden Wogen.
Er seufzte schwer. »Luzifer ist genau wie Stewart«, sinnierte er laut. »Er tut nichts, ohne dass irgendeine Strategie dahintersteckt. Was bedeutet …« Beck begann, andere Möglichkeiten zu sehen. »Irgendetwas muss die gefallenen Engel dazu gebracht haben, über ihren Gebieter ungehalten zu sein.« Er argwöhnte, dass dieses Irgendetwas neben ihm saß. »Warum bist du noch am Leben? Als ich dich das letzte Mal sah, ist überall Blut aus dir herausgetropft.«
Der plötzliche Zorn in Oris dunklen Augen ließ Beck sich versteifen. »Mein Gebieter hat mir das Recht zu sterben verweigert.«
»Was passiert, wenn einer wie du stirbt?«
»Wir werden in die Vergessenheit geschickt. Ins Nichts. Ihr Sterblichen nennt es Limbus. Es ist eine gewaltige Leere – keine Geräusche, kein Licht, nichts. Wenn wir unsere Schuld abbezahlt haben, werden wir vielleicht zu unserem Schöpfer gerufen. Wenn nicht … dann sind wir bis in alle Ewigkeit allein.«
Was der Engel sagte, ergab nicht viel Sinn. »Warum wolltest du sterben, wenn es das ist, was dich erwartet?«, fragte Beck.
»Ich verdiene es, auf ewig im Nichts zu verweilen«, erwiderte Ori ruhiger. »Ich bin des Lebens … überdrüssig.«
An diese Möglichkeit hatte Beck nicht einmal im Entferntesten gedacht. Aber wenn man beinahe unsterblich war, konnte man vielleicht tatsächlich jeden neuen Tag satt haben.
Er kam dem Kern der ganzen Sache näher, das spürte er. »Was halten die anderen Engel davon, dass Luzifer dich nicht hat sterben lassen?«
»Die meisten sind verärgert, weil mir nicht die Wahl gelassen wurde, mein Leben zu beenden.«
»Verärgert genug, um sich mit Sartael und seinen wahnsinnigen Dämonen zu verbünden?«
»Vielleicht.«
Beck schnaubte. »Ein gewagtes Spiel, Engel. Sowohl der Fürst als auch
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